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gegen uns herausgetreten sind. Ist die Monoedoktrin, schon vorher arg angenagt,
unter der zweiten Präsidentschaft Wilsons, insofern sie eine Nichteinmischung
in europäische Angelegenheiten beinhaltet, heute altes Eisen, so ist
der Pan-Amerikanismus in der (wie gerade der Verfasser in seinem trefflichen,
gründlichen und interessanten Buche zeigt) bisher von den mittel- und süd-
amerikanischen Staaten mit Selbstgefühl und Stolz abgelehnten Form einer
Führerschaft Washingtons in gewissem Sinn zur Wahrheit geworden: Und
diese Führerschaft ist, wie sie bei Cuba, Haiti, San Domingo und andern
schon zur Vormundschaft geworden, auf dem besten Wege, auch die andern
heutigen Gefolgsstaaten in Vasallen zu verwandeln! Ist dies vielleicht der
erste Eindruck, den das Werk, gelesen im Rahmen der Zeitgeschichte, gewinnen
läßt, so bietet es aber vor allem eine äußerst verdienstliche und klare Darstellung
der Geschichte des Panamerikanismus, die beste, die unsere Literatur bis jetzt
aufzuweisen hat. Aber nicht nur der Völkerrechtshistoriker muß sie
dankbar begrüßen, mit nicht geringerem Interesse muß sie der Dogmatiker
zur Hand nehmen. Vor allem für den, der das wohl de futuro wichtigste
aller Probleme des Völkerrechts, die internationale Schiedsgerichtsbarkeit,
bearbeiten will, ist das Buch mit seiner eingehenden Erörterung der einschlägi-
gen, trotzdem sie geradezu grundlegend sind, viel zu wenig beachteten Ver-
handlungen der amerikanischen Staaten auf den verschiedenen pan- und
zentralamerikanischen Kongressen einfach unentbehrlich. Der wiederum, der
die Völkerrechtspraxis unter Wilson mit der seiner Vorgänger vergleichen
will, wird nicht ohne Nutzen die vorbildliche Neutralitätspolitik von 1818
mit der von heute und den Grundsatz Jeffersons, jeder fremde Staat sollte
seine völkerrechtlichen Organe wie seine inneren Angelegenheiten nach seinem
Belieben bestimmen, mit der frechen Anmaßung des geistig kleineren Lan-
sing vergleichen. In der Bibliothek eines Völkerrechtsgelehrten darf das
Buch nicht fehlen.
Strupp.
Das Werk vom Haag. Unter Mitwirkung von v. BAR (f), FLEISCHMANN,
HUBER, KOHLER, LAMMASCH, V. LISZT, v. MARTITZ, MEURER, NIE-
MEYER, NIPPOLD, STRISOWER, STRUPP, V. ULLMANN (f), WEHBERG
und ZITELMANN, hrsg. von Walther Schücking. Zweite Serie. Die
gerichtlichen Entscheidungen. Erster Band: Die Indikatur des Stän-
digen Schiedshofs von 1899-1913. Festgabe zur Einweihung des
Haager Friedenspalastes. Dritter Teil (1910—1913). München, Dunk-
ker & Humblot. 1914.
Hat Scuücking in den beiden bisher erschienenen Bänden der ersten
Serie des Werks vom Haag! teils das dort Geschaffene in seinen recht-
ı Siehe meine Besprechung Arch. öff. R. XXX. 584 ff.
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXVIII. 2f1. 30