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liohen Grundlagen zu erfassen, teils (selbst in Band 1 und HAns WEHBERG
in Band 2) Zukunftsmöglichkeiten, die heute nahezu ausnahmslos
Zukunftswahrscheinlichkeiten geworden sind, zur Darstellung
gebracht, so soll die zweite Serie Beiträge enthalten, die die wichtigste Schöp-
fung der Völkerrechtskonferenz von 1899, das Haager Schiedsgericht, in seiner
Tätigkeit vorführen. Haben die beiden ersten Bände heute, wo so vieles,
was bei ihrem Erscheinen noch undurchführbar erschien, zuden drängend-
sten Gegenwartsproblemen gehört, eine ganz besonders aktuelle Bedeutung
gewonnen, so hat auch die 2. Serie, die als Festgabe zur Einweihung des Haager
Friedenspalastes gedacht gewesen war, Wert nicht nur für den Dogmatiker
und Historiker des Völkerrechts, sondern auch für diejenigen, denen es zu-
kommt, an einer künftigen Ordnung der Dinge mitzuarbeiten, wie für jene,
die über internationale Schiedsgerichtsbarkeit mit dem ironischen Achsel-
zuoken des Ignoranten hinweggehen zu können vermeinen, namentlich also
für so zahlreiche Besserwisser aus gewissen Kreisen. Denn jene Entschei-
dungen, liegen auch von ihnen zunächst immer noch leider nur die zuerst
erschienenen aus den Jahren 1910—1913 vor, zeigen doch aufs Allerdeutlichste,
welche gewaltige Bedeutung die Schiedsgerichtsbarkeit im Haag im Sinne
eines Kriegsverhütungsmittels sich bereits erworben hat. Kriegsverhütungs-
mittel relativ zu verstehen, d. h. in dem Sinne, daß, wenn auch die
Schiedsgerichtsbarkeit bislang nicht imstande gewesen ist, Kriege überhaupt
unmöglich zu machen, sie doch Streitigkeiten — das gilt auch von den Fällen,
die in Band III der 2. Serie besprochen sind — zur friedlichen Erledigung
gebracht hat, die an sich imstande gewesen wären, bei entsprechender Be-
tonung des Ehrenstandpunktes zum Kriege zu führen. Das gilt vor allem von
den Fällen ‚„Carthage und Manuba‘', wie von dem ‚‚Savarkar‘‘-Fall. Ersterer
ein wenig knapp, aber unter Hervorkehrung der wichtigsten leitenden Gesichts-
punkte, von NIEMEYER dargestellt, hat bekanntlich einen Augenblick erheb-
liche Spannung in die französisch-italienischen Beziehungen gebracht, eine
Spannung, die stark an die gleichfalls im Haag beigelegte in der Casablanca-
affäre zwischen dem Deutschen Reich und Frankreich erinnert. Weniger ernst
war die politische Bewölkung in dem von KoHLER in bekannter Literatur-
beherrsohung und mit juristischer Schärfe meisterhaft dargestellten Sararkar-
fall (zwischen Frankreich und England). Wie schon ich 1911 in dem 1. Beiheft
der Zeitschrift für Völkerrecht, so hält auch KOHLER in eingehender Darstellung
das Urteil im Sarakarrfall für einen Fehlspruch (S. 132). Von den sonstigen,
in Band III enthaltenen Urteilen behandelt zunächst NıppoLp den Orinocofall,
dem besondere Wichtigkeit für die Frage der Revisibilität völkerrecht-
licher Sohiedssprüche (vgl. namentlich S. 35) beigelegt worden ist. Mit Recht
weist aber NIPPOLD nach, daß jener Sentenz im wesentlichen keine
über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zukommt. Der eingehend
und trefflich von ZITELMANN dargestellte Canevau-Fall hat — und ZITEL-