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Ueber das Schicksal der dem Haager Verbande nicht angeschlossenen Länder
kann nur gemeinsam verfügt werden; kein einzelner Staat ist berechtigt, sich
eines dieser Länder zu unterwerfen.
Das ist in den großen Zügen das Buch von Scaückıng. Wir können zu
den einzelnen Ideen hier nicht Stellung nehmen. Das hieße das gewaltige
Problem des Weltfriedensbundes aufrollen. Aber diese kurze Skizze genügt,
um die Bedeutung des Werkes klarzulegen. Es ist ernst wissenschaftlich. Es
ist von einem hohen Enthusiasmus für das Recht erfüllt. Es dient einer edlen
Aufgabe der Humanität. Glück auf den Weg!
Redslob.
Walther Schücking, Die völkerrechtliche Lehre des Welt-
krieges. Leipzig, bei Veit & Co. 1918. 239 Seiten.
Wenn ein Kranker gestorben ist und die Ursache des verderblichen Uebels
nicht klar zu erkennen ist, da tritt der Gelehrte mit dem Seziermesser an die
Leiche und sucht den unheilvollen Keim zu entdecken, um für die Zukunft
zu lernen. In ähnlicher Methode arbeitet der Verfasser dieses Buches. Der
Weltfriede ist der tote Mann. Warum ist er gestorben ? Pazifismus und Hu-
manität, Diplomatie und Völkerrecht haben mühsam versucht, ihn am Leben
zu erhalten. Indes ohne Glück. Aber deshalb darf man nicht die ganze an-
gesammelte Arzneikunde verächtlich über Bord werfen. Vielmehr es gilt,
von neuem zu lernen und zu suchen.
SCHÜCKING entwirft sein Programm im Vorwort: ‚‚In der Flut der deut-
schen Kriegsliteratur gibt es zahllose Schriften, die sich mit dem Ursprunge
des Krieges und seinen politischen Lehren beschäftigen. Sie erheben meist
Anklagen der schwersten Art gegen einzelne Staatsmänner und ganze Völker
und erwarten das Heil für die Sicherung des Friedens von einer Vermehrung
der Macht. Das nachfolgende Werk ist aus einem anderen Geiste geboren
und verfolgt andere Ziele. Es soll keine Persönlichkeiten und keine Völker
anklagen, sondern das System in Europa, das eine solche Tragödie in Wahrheit
verschuldet oder doch zum mindesten ermöglicht hat. Die Ereignisse, die
zum Kriege geführt haben, sollen in das klare Licht der Rechtsordnung ge-
rückt und es soll das Unvollkommene dieser internationalen Rechtsordnung
aufgezeigt werden.‘
ScHÜcKING studiert die Parlamentsbücher, die über die diplomatische
Vorgeschichte des Weltkrieges herausgegeben sind. — Dabei ist zu beachten,
daß der Druck des Werkes schon im Sommer 1917 abgeschlossen ist. — Der
Autor kommt zu dem Ergebnis, daß, so verhängnisvoll die allgemeinen poli-
tischen Gegensätze in Europa auch gewesen sind und so sehr sie die feindliche
Lösung der österreichisoh-ungarisch-serbischen Krise erschwert haben, trotz-
dem diese Frage friedlich hätte gelöst werden können, wenn das Völkerrecht
den Staaten dazu schon bessere Methoden an die Hand gegeben hätte,