Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

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sam zu objektivieren, ihn nioht als Werk einzelner Personen, sondern als ein 
saohliches Geschehnis, eine historisch-natürliche Katastrophe zu bewerten, 
Wenn er zu diesem Zwecke die Entwicklungsgeschichte der modernen Politik, 
insbesondere den Grundsatz des Gleichgewichts, das europäische Konzert 
und die Erschütterung jenes Gleichgewichts, die Grundlagen der Allianzen 
behandelt, so legt er damit einen festen Grund für den weiteren Aufbau, der 
sich hintereinander mit dem Dreibund und dem Dreiverband, mit Oester- 
reich-Ungarn, Serbien, Rußland, Frankreich, England, Deutschland und ihrer 
Politik beschäftigt. Nicht nur der Historiker und Politike», auch der Völker- 
rechtler kommt auf seine Rechnung. Was hier insbesondere über Rußland und 
die erste Haager Konferenz, sowie das Verhalten Deutschlands in dieser Kon- 
ferenz gesagt ist, verdient besondere Aufmerksamkeit. 
Cöln Professor Dr. Stier-Somlo. 
Redslob, Dr. Robert, ordentlicher Professor des Staats- und Völkerrechts 
an der Universität Rostock, Die Parlamentarische Re- 
gierung in ihrer wahren und in ihrer unechten 
Form. Eine vergleichende Studie über die Verfassungen von Eng- 
land, Belgien, Ungarn, Schweden und Frankreich. Tübingen, J. C. B. 
Mohr (Paul Siebeck) 1918. — IX und 186 $. Preis Mk. 12.—. 
Verfasser geht von dem Nachweis aus, daß die parlamentarische Ver- 
fassung ein System des Gleichgewichts zwischen der gesetzgebenden und 
ausübenden Gewalt bedeutet, daß das Mittel, es aufrecht zu erhalten, schließ- 
lich in der Auflösung des Parlaments liegt. Das Volk hat die Souveränität, 
nicht das Staatshaupt, das aber den Mechanismus leitet, die Regierung er- 
nennt und stürzt, aber auch durch Einsatz politischer Begabung, kluger Aus- 
nutzung von Möglichkeiten über die Sphäre seiner formellen Zuständigkeit 
hinaus zu wachsen vermag. Aus dem Grundsatze des Systems, daß es eine 
gemäßigte Regierung herbeiführe, leitet Verf. eine Reihe von Folgerungen 
ab, prüft die Entwicklung in England bis zu unsern Tagen, um schließlich 
nicht nur die Genialität des Grundgedankens, sondern auch die folgerichtige 
Ausprägung zu bewundern, die er aus den reichlich beigebrachten Einzel- 
beispielen mit großem Geschick zu belegen versucht. In thesenartigen For- 
mulierungen, deren Auseinanderlegung von besonderem Reize ist, wird der 
große Stoff mit juristischer Methode gemeistert. Dem englischen Verfassungs- 
typus gehört des Verfassers sichtbare Zuneigung. Mit jenem vergleicht er 
das von England abhängige belgische System. Die Aehnlichkeit der aus selb- 
ständigen Wurzeln erwachsenen Einrichtungen in Ungarn und Schweden 
beweist ihm die Lebensfähigkeit des parlamentarischen Regimes. In unechter 
Form scheint es ihm in Frankreich aufzutreten, in dem „großen konstitutio- 
nellen Laboratorium‘, dem das Verdienst zugesprochen wird, zusammen mit 
England der Sohöpfer des modernen Staates zu sein. Eine Staatsrechtswissen-
	        
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