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sin] der Einordnungsabsicht der vielen — ohne Rücksicht auf irgend ein
wissenschaftliches System geschaffenen — Spezialgesetze und Regeln etwa
gesetzt? Wie weit ist es, ohne künstliche Einzwängung in begriffliche oder
institutionelle Rahmen, ohne schärfsten Gegensatz zu den Wirklichkeiten
des Rechtslebens, möglich, Schöpfungen des gesetzten Rechts in bereits vor-
handene oder neu zu wählende (unter jeweils selbständigen Rechtsgrundsätzen
stehende) Gruppen aufzunehmen ? Auch wo Verf. zu der so bedeutsamen
Frage von dar Zweaiseitigkeit unseres Rechtssystems (öffentliches und pri-
vates Recht), wo er über das Problem von der Wirkung der veränderten Um-
stände auf Verträge spricht, hat er Wertvolles zu sagen. Seine Schrift gehört
zu den besten, die uns die letzten Jahre gebracht habe.
Cöln Professor Dr. Stier-Somlo,
Max Fleischmann, Professor in Königsberg, Die Alandfrage, eine
Denkschrift. 1918. Als Manuskript gedruckt. 70 Seiten.
Die Arbeit beschäftigt sich mit dem künftigen Schicksal der Alandsinseln.
Sie gibt zuerst eine historische Schilderung der völkerrechtlichen Situation,
in der sich die Inseln seit dem Frieden von Frederikshamn 1809 befunden haben.
Es wird dann die Frage aufgeworfen, welche Rechtswirkung die Unabhängig-
keitserklärung Finnlands für die Alandsinseln äußert. An der Spitze der Aus-
einandersetzung steht eine staatsrechtliche Erkenntnis von hohem Wert und
die man sich freut, in so klarer und entschiedener Fassung anzutreffen. ‚‚Finn-
land ist unabhängig geworden mit dem Augenblicke, wo es sich von Rußland
ablöste und, soweit es die Kraft in sich trug, als selbständiger Staat in seinen
Grenzen herrschaftlich zu wirken. Am Anfang des Staatslebens steht nicht
das Wort, es steht die Tat.‘‘“ Aland gehört also staatsrechtlich zu dem neuen
Staatsgebilde kraft der Macht der Tatsachen. Es ist eine andere Frage, ob
diese Zugehörigkeit von den übrigen Staaten der Völkergemeinschaft anerkannt
ist, ob sie also gewillt sind, fortan die Alandsinseln als Besitz Finnlands gelten
zu lassen. Diese Frage ist einfach zu beantworten. Die Anerkennung ist
erfolgt, namentlich auch von Rußland.
Darauf kommt der Verfasser zu dem wichtigen Problem, ob das Verbot
einer Befestigung der Alandsinseln, das im Pariser Frieden 1856 ausgesprochen
wurde, auch heute, bei der veränderten Besitzlage, noch gilt. Darauf ant-
wortet er: Das im Weltkrieg neutrale Schweden ist nicht Vertragspartei. Die
damaligen Signatärmächte sind heute Belligeranten. Es entsteht also die
Frage, ob der heutige Krieg den Vertrag gelöst hat. Der Verfasser neigt der
Ansicht zu, das sei nicht der Fall, weil der Vertrag gerade für den Kriegsfall
geschlossen. Die Verpflichtung Rußlands, sagt er weiter, sei zweifellos auf
Finnland übergegangen; das stärkste Argument sei dies, daß es sich um einen
Vertrag handle, der „mit dem Grund und Boden verwurzelt‘ sei. Res succedit
cum suo onere.