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FLEISCHMANN nimmt dann Stellung zu dem in letzter Zeit manchmal
aufgestellten Postulat einer Angliederung der Inseln an Schweden. Er lehnt
es aus ethnologischen, geschichtlichen, geophysischen Gründen ab. Er kriti-
siert weiter die Kompromißvorschläge, die dahin gehen, eine Condominium
Finnlands und Schwedens herzustellen, eine gemeinsame Besatzung auf die
Inseln zu legen, eine Republik unter schwedischem oder finnischem Schutz
auf Aland zu begründen oder endlich die Inseln zu neutralisieren.
Der künftige Weltfriedensvertrag wird eine wahre Mosaikarbeit in Einzel-
problemen des Völkerrechts zu leisten haben. Da ist es freudig zu begrüßen,
wenn schon jetzt namhafte Gelehrte eine Vorarbeit leisten, besondere Materien
auswählen und mit dem gesamten Werkzeug der heutigen Wissenschaft
behandeln. Solche Studien liegen schon in stattlicher Anzahl vor. Das Buch
von FLEISCHMANN nimmt in dieser Reihe einen achtunggebietenden Platz
ein. Was ihm aber, neben vollendeter Sachkunde, einen besonderen Wert
verleiht, das ist die feine Abtönung der politischen Werturteile. Die Schrift
ist kein Plädoyer für eine vorgefaßte Meinung. Sie ist ein nachdenkliches
Suchen, in Gemeinschaft mit dem Leser, und ist erfüllt von dem ernsten und
einzigen Bestreben, eine Lösung nach Gerechtigkeit zu finden.
Redslob.
Dr. Leo Wittmayer, Professor in Wien. Deutscher Reichstag
und Reichsregierung. Eine politische Untersuchung. 1918.
Bei Alfred Hoelder in Wien. 65 Seiten.
Diese Arbeit ist eine tiefgründige Studie über die verschiedenen Probleme
staatsrechtlicher und politischer Natur, die durch die Einführung der parla-
mentarischen Regierung im Deutschen Reich entstehen. Dem Verfasser
kommt bei der Untersuchung zustatten, daß er in Oesterreich, einem Staate
lebt, der sich auch in einem Uebergangsstadium zwischen konstitutioneller
und parlamentarischer Regierung befindet. So mag er manche Erfahrungen
des Staatslebens in seiner Heimat für sein Urteil verwerten, und das gibt
der Schrift ein besonderes Interesse.
Das Deutsche Reich ist nicht für den Parlamentarismus gebaut worden.
Und so ergeben sich, wenn man ihn in das Gebäude einfügen will, manche
Gefahren und Probleme der Stabilität. Der Verfasser entdeckt sie mit sicherem
Blick und macht Vorschläge, wie man ihrer Herr werden könnte.
Aus dem reichhaltigen Material möchte ich einige Betrachtungen hervor-
heben, die mir besonders interessant erscheinen und die von der Arbeit des
Wiener Gelehrten einen allgemeinen Eindruck geben können.
Die Staatsekretäre des Deutschen Reiches, sagt WITTMAYER, sind
tatsächlich heute nicht mehr bürokratische Gehilfen des Reichskanzlers,
sondern in Wahrheit Ressortminister. ‚Eingriffe des Reichskanzlers in ein-
zeine Angelegenheiten, Handeln an Stelle des Staatssekretärs gibt es in der