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haupt des geschichtlichen Sehens gelten können: ANDREW
WHITEs „Sieben große Staatsmänner im Kampfe der Menschheit
gegen Unvernunft“® und LORD ROSEBERYs Werk über die
Jugend des jüngeren PITT?.
2 In deutscher Uebersetzung München 1913, die englische Ausgabe 1910
erschienen.
® CHATHAM, His early Life and Connections. London 1910. Die Jahre,
in denen er dieses Werk verfaßte und herausgab, sind, wie ich glaube, die
Höhenjahre in Lord Roseberys Leben, obgleich die Zeit seiner äußeren
Führerstellung damals schon lange binter ihm lag. Aus seiner politischen
Arbeit wird eines unvergänglich bleiben: das Eintreten für eine gute Neu-
bildung des englischen Oberhauses. Er hat sie von Anfang an, als einer
der wenigen Liberalen im House of Lords gegen die überwältigende und
äußerst starrsinnige Mehrheit der Konservativen verfochten; er hat sie
dann gegen die radikalen Unternehmungen seiner Parteigenossen, die das
Oberhaus lieber beseitigen und, wenn das nicht ging schwächen als bessern
wollten, zu verteidigen gesucht. Seine Reden zu diesem Gegenstand sind
an staatsmännischem Geist allem, was sonst darüber gesagt und geschrie-
ben worden ist, weit überlegen; aber er hat völlig vergeblich gekämpft.
Zuerst haben die Konservativen jede Aenderung des Erblichkeitsgrundsatzes
in blinder Ueberschätzung ihrer Macht verweigert; dann haben die Radi-
kalen, statt die aufbauende Politik einer guten Zusammensetzung des Ober-
hauses zu treiben, unter der beschränkten Leitung Campbell-Bannermans
und dem hetzenden Einfluß des jetzigen Premierministers sich darauf be-
schränkt, die „Zweite Kammer“ ihrer Gesetzgebungsgewalt zu berauben.
Rosebery hat bei der Annahme des, von ihm aufs äußerste bekämpften Parla-
mentsgesetzes zuletzt, in der denkwürdigen Sturmsitzung des Oberhauses,
entscheidend mitgewirkt, weil er dem König die Wahl zwischen einem sehr
unsicheren Appell an das Volk und einem, die Krone wie das Oberhaus de-
mütigenden Pairsschub ersparen wollte: aber er hat seitdem das Oberhaus
nicht mehr betreten. Zu dem Zusammenbruch seiner Verfassungs-Reform-
politik ist für ihn im Krieg, der ihn leider in den ersten Jahren, wie die
meisten alten Staatsmänner Englands, zu unwürdigen Reden des Hasses
gegen Deutschland und der Erniedrigung vor den Vereinigten Staaten ge-
bracht hat, noch ein schweres Unglück getreten. Sein zweiter Sohn, Neil
Primrose, dem er seine politischen Gaben zum glänzendsten Gebrauch zu
hinterlassen gehofft hatte, und der sich seine Sporen schon verdient hatte,
war zu Beginn des Kriegs als eines der jüngeren Mitglieder in das Mini-
sterium Asquith eingetreten; er gehörte aber zu denen, die Asquith bei
der Bildung des Konzentrationsministeriums preisgeben mußte und zwar
zugunsten eines Nebenbuhlers, mit dem Primrose mehrmals bei der Wahl