Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

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des Unionswerkes habe®. Aber ändern durfte das englische Parlament 
kein Titelchen: das sahen die Redner der Lords wie der Gemeinen, 
der Opposition wie der Regierungspartei ein; die Regiernng selbst 
hatte es ja zuerst eingesehen. 
Zum zweitenmal hätte die Göttin des Parlamentarismus sich 
zeigen sollen, als der englische Herr die gewaltige Aenderung in 
der Verwaltung seines indischen Reichs vornahm, die alte Kaiser- 
stadt Delhi zur Hauptstadt erhob, Kalkutta, das halb europäisch- 
muhammedanische, entthronte und die vielberufene Teilung Ben- 
galens rückgängig machte. Das geschah durch die Proklamation, 
die König Georg bei dem feierlichen Durbar in Delhi verlas; und 
bis zu diesem Augenblick war die ungeheure administrative Maß- 
® Diese Debatten und der Vorgang der südafrikanischen Gründung 
überhaupt verdienen gerade jetzt die ernsteste Beachtung. Wie weit es 
das Verdienst der Unionspolitik ist, daß Südafrika im Krieg „loyal“ blieb, 
wenigstens soweit es die Eroberung der deutsch-afrikanischen Gebiete galt, 
ist hier nicht zu erörtern. Aber die Staatsrechtsvergleichung kann jeden- 
falls darauf hinweisen, daß die Selbständigkeit Südafrikas nicht auf einer, 
nnmittelbar bei der Beendigung des Krieges oder gar schon im letzten 
Stadium des Krieges geübten Selbstbestimmung beruht, sondern auf engli- 
scher Verleihung nach fast zehnjähriger Herrschaft. Es ist wohl bei der 
Beendigung des südafrikanischen Kriegs die Forderung gar nicht erhoben 
worden, daß die Gebiete der beiden Freistaaten von den englischen Trup- 
pen geräumt werden sollten, um die Möglichkeit einer Volksabstimmung 
auf breitester Grundlage zu schaffen und, je nach ihrem Ausfall, den An- 
schluß der Freistaaten an das Kap und Natal, oder ihre fernere Selbstän- 
digkeit oder, was einzelnen auch wünschenswert geschienen hätte, ihre 
Zugehörigkeit zu England als Kronkolonie im Zusammenhang mit Rhode- 
sien zu vollziehen. Aber wenn eine solche Forderung damals gestellt wor- 
den wäre, so hätte die englische Regierung sie sicherlich zurückgewiesen 
und dies damit begründet, daß zunächst wieder Ordnung und Beruhigung 
im Land eintreten müsse. Für die staatlichen Veränderungen am Schluß 
des jetzigen Kriegs ist das der wichtigste Vorgang — nicht natürlich in 
dem Sinne, daß ein anderer Staat nach dem Beispiel Englands verfahren 
müsse, wohl aber so, daß England an den von ihm selbst geübten, und 
zwar mit vielgerühmtem Erfolg geübten Modus gebunden ist und aus ihm, 
wenn er von anderen ebenfalls geübt wird, keinen Vorwurf ableiten 
kann.
	        
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