58 —
von allen dieser Schäden purgiert das Zweiparteiensystem. Aber
vor allem, und das ist eine ernste Kulturfrage: wir wissen, weil
wir es an unseren eigenen Parteien schmerzlich entbehren,
welch heilsame Zucht für dieAutoritätspartei
in der Oppositionsstellung, und für die Re-
form- oder Fortschritt- oder meinetwegen
auch Umsturz-Partei im Regieren liegt.
Das haben wir hier und da durch einen Zufall, in einer ganz
kleinen Dosis. Aber jeder Staat brauchte es so, wie es England
hat, im Zweiparteiensystem hat: als Regierungsfähigkeit jeder
Partei, der Linken wie der Rechten, als ein Offenstehen der
höchsten Staatsstellen für den, der sich in der freien Betätigung
seiner Ueberzeugung als der Fähigste gezeigt hat. Alle anderen
Schäden der Parteienmehrzahl kommen doch auch drüben unter
dem Zweiparteiensystem auf; was bei uns die kleineren Parteien,
das sind in England die selbständigen Gruppen innerhalb der großen
Partei,und bei knapper Mehrheitsogar einzelne unabhängige Abgeord-
nete; auch in England gibt es Wahlen mit drei oder mehr Kan-
didaten und Klagen über die Fälschung des Wahlergebnisses
durch Zersplitterung. Aber das bleibt: die Möglichkeiten, zur
Herrschaft zu gelangen, sind für die Linksradikalen ebenso groß
und immer gegenwärtig wie die Möglichkeiten. rücksichtslosester
Opposition für die Autoritäts-Konservativen, und jeder geht gestärkt
und geläutert aus seiner Erfahrung hervor: der Konservative
durch die Notwendigkeit, sich als Gegner der Exekutive, als
Gegenstand staatlichen Zwangs und vielleicht harter Bedrückung
zu fühlen, der Radikale durch den Zwang, das vorher Kritisierte
besser zu machen, Ideale nicht nur im Wort, sondern auch im täg-
lichen Tun zu verfechten.
Wir Juristen haben in den letzten Jahren in Deutschland
viel von dem Gegensatz zwischen der englischen und der deutschen
Gerichtsverfassung gehört. Da haben wir Aehnliches drüben mit
gleich guter Wirkung gefunden: Der englische Richter ist Anwalt