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Il.
HomeRulefürlrlandundgroßbritannischer
Bundesstaat.
Die neue Verfassung, die das irische Land und Volk im
nächsten Jahre [1914] erhalten soll, ist für den kontinentalen
Staatsrechtler und gar für den Laien im festländischen Europa ein
schwer verdaulichesGericht; in manchem freilich stellt sie sich auch
als bloßes Schaugericht heraus, glänzend schillernde Federn über
ein ausgenommenes Knochengerüst zusammengesteckt, wunderbare
Pastetenformen, aus denen aber statt der erhofften Leckerbissen-
düfte Zwerge oder Tänzerinnen in die Höhe springen, wenn der
Deckel gelüftet wird. In der umständlichen Beratung, die dem
Entwurf der Home Rule Act!“ im englischen Parlament trotz der
licher politischer Programme und deshalb die Neigung zur primitivsten
Form der Wahl zwischen zwei Kandidaten die stärkste Stütze für das
überlieferte Zweiparteienwesen sein.
1 Die Asquith’sche Home Rule Bill, 1912, im Unterhaus eingebracht am
11. April, im Unterschied zur ersten Gladstone’schen, die am 8. April 1886
eingebracht und in zweiter Lesung vom Unterhaus mit 343 gegen 313 ab-
gelehnt wurde (Sezession der „liberalen Unionisten* mit Chamberlain und
dem Herzog von Devonshire) und zur zweiten Gladstone’schen von 1893,
die im Unterbaus mit 34 Stimmen Mehrheit angenommen, im Oberhaus
aber mit 419 gegen 41 Stimmen abgelehnt wurde. Die Geschichte ist lehr-
reich für die langsame, aber stete Entwicklung einer solchen Forderung:
zuerst Ablehnung im Unterhaus, dann Annahme im Unterhaus, und Ab-
lehnung im Oberhaus mit so großer Mehrheit, daß bei Durchstimmung
beider Häuser eine gewaltige Mehrheit für Ablehnung bliebe; deshalb die
Verfassungsänderung, die beim Konflikt zwischen beiden Häusern nicht
Vereinigungsverfahren und Durchstimmung, sondern endgültige Prävalenz
des Unterhauses vorsieht; darauf Annahme der Asquith’schen Vorlage im
Unterhaus, zweimalige Ablehnung im Oberhaus, dritte endgültige Annahme
im Unterhaus.
Die wichtigsten Unterschiede der drei Vorlagen sind erstens, daß 1886
die irischen Abgeordneten aus dem Unionsparlament ausscheiden sollten, 1893
darin verbleiben, aber nur über irische Angelegenheiten mitstimmen sollten,
1912 uneingeschränkt im Unionsparlament bleiben; zweitens, daß 1886 Eng-
land Zölle und Verbrauchsabgaben, aber nicht die Steuern von Irland er-