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Allein die Anbahnung einer einheitlichen Terminologie, so wichtig sie
auch sein mag, bleibt doch nur äußeres Symptom für die fortdauernde
Aktualität von TRIEPELs Lebenswerk, die auch darin zutage treten muß,
daß die heutige Regelung der Reichsaufsicht vielfach mit Grundanschauungen
TRIEPELS übereinstimmt, der das Problem in Mode gebracht hat. Gewiß
ist auch die Weimarer Verfassung weit davon, dem Ausbau der Reichs-
aufsicht jene vertiefte Sorgfalt zuzukehren, die der Einschätzung TRIEPELS
halbwegs entsprechen würde. Allerdings, die Zeitverhältnisse waren nicht
darnach und vieles hatte sich an sich — wohl im Sinne TRIEPELSs (707 £.!) —
dadurch vereinfacht, daß heute der vereinheitlichten Reichsregierung die
Aufsicht in den Angelegenheiten übertragen ist, in denen dem Reiche das
Recht der Gesetzgebung übertragen ist. Dafür hat ja schon die Geschichte
gesorgt. Immerhin läßt schon das Wenige, was die neue Reichsverfassung
in ihrer Sparsamkeit über die Reichsaufsicht enthält, eine Reihe bemerkens-
werter Parallelen erkennen, aber auch den nie ganz versöhnlichen Zwie-
spalt von Theorie und Wirklichkeit, dem zu folgen nicht ohne Interesse
sein dürfte.
In der geltenden Verfassung ist jetzt ausdrücklich, allgemein und
unterschiedslos bestimmt, daß sich die Aufsicht auf die Angelegenheiten
erstreckt, in denen dem Reiche das Recht der Gesetzgebung zusteht, also
ohne Rest eines Zweifels (vgl. TRIEPEL a. a. O. 416 ff.) auch auf den
reichsgesetzlich noch nicht geregelten Gebieten. (Protokoll des Verfassungs-
ausschusses S. 80 ff... Maßgebend ist somit schlechthin, „ob sich das Ver-
halten der Einzelstaaten im Einklange befindet „mit den ihnen durch das
Reichsrecht aufgebürdeten Pflichten“ (453), was natürlich bei der unge-
heuern Ausdehnung der legislativen Zuständigkeiten des Reichs sehr viel
zu sagen hätte, wenn sich das auch im Leben in volle Münze umsetzen
lassen sollte.
Es bedeutet ferner einen dem Buche kongenialen Fortschritt, daß die
Reichsregierung heute ermächtigt ist, zur Ueberwachung der Ausführung
der Reichsgesetze zu den Landeszentralbehörden und mit ihrer Zu-
stimmung zu den unteren Behörden Beauftragte zu entsenden. TRIFPEL
hatte (S. 690) darüber geklagt, daß die Notwendigkeit, sich auf den Ver-
kehr mit den Landesregierungen zu beschränken, das Aufsichtsverfahren
umständlich mache. Es habe sich unerfreulich genug gezeigt, daß einzelne
Reichsgesetze ihr Ziel nur unvollkommen erreichten, weil die Organe der
Reichsaufsicht mit den Mittel- und Unterbehörden der Einzelstaaten außer
Fühlung standen. Nun eröffnet zwar die Reichsverfassung den Weg. Er
ist aber noch immer eingeplankt, so daß z. B. AnscHÜTZz (a. a. O. S. 52)
in diesem zaudernden Zugeständnis „keine Durchbrechung, sondern vielmehr
eine Bestätigung und Bekräftigung der Regel“ erblicken will, die Länder
stets als solche, als geschlossene Einheiten und somit immer.nur die Regie-
rung, nicht aber die ihr unterstellten Landesbehörden unmittelbar der