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neuen Reichsstaatsrechts auszuführen. Dann auch Näheres darüber, wie
sehr wieder Art. 19 im Grunde dem entspricht, was TRIEPEL für seine
„unparteiische Reichsaufsicht (S. 453 mit 471) im ominösen $ 19 seines
Werkes verlangte.
Daß so viele Berührungspunkte zwischen dem Buche und der heutigen
Rechtslage überhaupt möglich sind, liegt nicht zuletzt an dem, daß das
Reich in der Hauptsache noch immer einen großen Teil seiner Geschäfte
durch die Landesbehörden vollziehen läßt und daß sich die bereits er-
wähnte „Geschlossenheit“ der Organisation der Landesbehörden dem Reiche
gegenüber im Großen und Ganzen nicht geändert hat. Darum erscheinen
auch manche Anregungen, die TRIEPEL mit so viel Erfahrung, Literatur
Material und Vergleichsmöglichkeiten auszustatten weiß, mit ihrer Nicht
berücksichtigung in der Verfassung noch lange nicht erledigt. Sie stützen
nach wie vor nicht bloß die praktische Handhabung der Reichsaufsicht
und jede Fortbildung derselben, die ohne TRIEPELS grundlegende Leistung
schwer gedacht werden könnte, sondern schärfen auch die Kritik am neuen
positiven Rechte, die manches unverwertet Gebliebene vermissen muß. So
ist z. B. das, was die neue Reichsverfassung im Art. 48, Absatz 1 über die
Reichsexekution bringt, die ausschließliche Erwähnung der „Hilfe der
bewaffneten Macht“, in der äußeren Form ein Rückfall in Ton und Schreib-
weise der norddeutschen Bundesverfassung (Art. 19), die den Bundesfeld-
herrn mit der Vollziehung der Exekution betraute. Höflich war das nicht
und man versteht, warum die alte Reichsverfassung das bracchium militare
unterdrückte, ohne aber den Standpunkt als solchen aufzugeben, an den
sich die alte Streitfrage knüpfte, ob die kriegsmäßige Exekution das einzige
Zwangsmittel des Reiches sei (bei TRIEPEL a. a. O. S. 672 fi. und 676 ff.)
oder nicht. Diese Frage ist im Texte wenigstens wieder offen geblieben-
da sich die neue Reichsverfassung darauf beschränkt, nach dem Vorbild
von 1867 wieder einmal die Fäuste zu ballen. Daß daneben auch noch
andere Mittel der Reichsexekution in Betracht kommen, wie HÄNELs
„bürgerliche Vollstreckungsmaßregeln“ oder die von TRIEPEL und ANSCHÜTZ
sog. Ersatzvornahme (bei TRIEPEL S. 677 ff.), daran hält z. B. AnscHÜUTz
(a. a. ©. S. 107) — wohl mit Fug — noch heute fest. Es beruht aber
lediglich auf einem Schluß a majori ad minus, wie ihn für das frühere
Recht schon TRIEPEL (S. 679) ausdrücklich zieht. Sieht aber auch die
politische Empfindlichkeit der Länder die Ersatzvornahme als das kleinere
Uebel, als „schwächeres Zwangsmittel“ an? Hier liegt vermutlich der
Hund begraben und mit ihm vielleicht auch der Grund, warum es zur ver-
fassungsmäßigen Festlegung dieses erweiterten Grundsatzes nie kommen
will. Nach den „Gesetzen“ der politischen Optik müßte vielleicht gerade
das handliche, angemessene, im täglichen Leben verwendbare nüchterne
und darum allein praktische Mittel der Ersatzvornahme als Eingriff in die
eigene, wirkliche oder vermeintliche Staatlichkeit, als zugemutete Gleich-