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Wird nicht die politische Umwälzung auch ihm Abbruch tun, hat sich
nicht schon vieles seit dem Umsturz geändert, wird nicht noch vieles
andere durch den neuen, völlig veränderten Aufbau unseres Staatswesens
zum alten Eisen werden? Es läßt sich nicht verhehlen, daß dieses Be-
denken an manchen Stellen begründet ist. Die Gesetze und Verordnungen
der Jahre 1918/19 haben auf dem Gebiete des kommunalen Verfassungs-
rechts manchen” alten Zopf abgeschnitten, verschiedenes vereinfacht und
modernisiert, vor allem das Gemeindewahlrecht durch das neue Reichs-
wahlrecht ersetzt. Ebenso hat das kommunale Verwaltungsrecht, wenn
auch keine grundstürzenden, so doch zahlreiche Aenderungen im einzelnen
und im kleinen erfahren. Gleichwohl darf die Gefahr, daß hierdurch der
Wert des Handbuches beeinträchtigt worden sei, nicht überschätzt werden.
Freilich, wer das Buch als Nachschlagewerk betrachtet und seinen Inhalt
in einem praktischen Falle unmittelbar anwenden will, tut gut, sich erst
aus der Preußischen Gesetzsammlung rasch zu vergewissern, ob und welche
neuen Vorschriften in der konkreten Frage etwa erlassen sind. Wer sich
aber mit den Grundeinrichtungen unseres kommunalen Verfassungs- und
Verwaltungslebens vertraut machen, wer die wissenschaftlichen Prinzipien
und Leitsätze der Materie kennen lernen will, der greife getrost jetzt und
auch in Zukunft in allererster Linie nach dem STIER-SOMLOschen Hand-
buch als dem besten Ratgeber. Die Fundamente und Kerngedanken unseres
gemeindlichen Verfassungs- und Verwaltungsrechts wurzeln tief und fest in
der Vergangenheit, sind durchaus gesund und nicht verbesserungsbedürftig.
Im einzelnen und äußerlich mag manches ausgebaut werden: der Bau
selbst aber, an dem mehr denn fünf Generationen im preußischen Staate
gearbeitet haben, kann und wird nicht ganz eingerissen und braucht nicht
von Grund auf neu errichtet zu werden. Infolgedessen wird STIER-SOMLOSs
Werk dauernd seinen Wert behalten. Es wird nach wie vor den Bedürf-
nissen der täglichen Praxis, welcher wissenschaftliche Begründung und
theoretische Erkenntnis nicht fremd sein dürfen, unentbehrlich sein, es
wird werdenden und schon im Amte stehenden kommunalen und staatlichen
Verwaltungsbeamten ein nieversagender Wegweiser bleiben, es wird der
Rechtsanwendung und Rechtsprechung brauchbare Dienste leisten und
nicht zum letzten für die akademisch-wissenschaftliche Lehre und For-
schung seinen einzigartigen Platz behaupten. Vor allem aber wird dieses
Meisterwerk deutscher Geistesarbeit noch bei späteren Generationen ein
beredtes Zeugnis dafür ablegen, auf welcher Höhe die deutsche Wissen-
schaft in der dunkeln Zeit tiefsten äußeren Niederganges Deutschlands
gestanden hat.
Frankfurt a. M. Friedrich Giese.,
Dr. jur. Franz Josef Sassen, Gerichtsassessor, Privatdozent für Staats-
und Verwaltungsrecht an der Universität Bonn, f. Die Unter-