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Er stellt einen Wilsonschen und einen Leninschen Völkerbund einander
gegenüber. Da mag dann Deutschland die Rolle zufallen, das Zünglein an
der Wage zu bilden und zu einem „Wilsonschen Bund mit stark sozialisti-
schem Einschlag® zu führen. Und hat nicht inzwischen schon nach dem
Erscheinen dieser Schrift für seinen inneren Aufbau das Deutsche Reich
diesen Weg betreten in dem Art. 165 seiner Verfassung vom 11. August
1919, welcher dem Reichswirtschaftsrat nicht nur ein parlamentarisches
Initiativrecht, sondern auch ein Mitwirkungsrecht bei der Beratung im
Reichstag verleiht?
Eine mannigfaltige Reihe von Problemen läßt der Verf. an unserem
Auge vorüberziehen, das Wesen des Völkerbundes als eines Staatenver-
bandes, der aber dennoch jenen Namen verdient, da jeder Staat auf sein
freiheitlich organisiertes Volk sich gründet, das Verhältnis des Bundes zu
den Staaten und die Einschränkung ihrer Souveränität, das Selbstbe-
stimmungsrecht der Völker in der Grenze, daß ein Volk seine wahre Selbst-
bestimmung nur im Rahmen größerer Zusammenfassung findet und sich
mit einer bloß „kulturellen Autonomie“ begnügen muß, die ihm erlaubt,
seine besonderen Gaben und Fähigkeiten frei zu entwickeln (S. 21, 33),
Bundesschiedsgerichtsbarkeit und Bundesexekution, Rüstungsbeschränkung,
Meeres- und Verkehrsfreiheit, der Grundsatz der offenen Tür, das Kolonial-
problem, schließlich das internationale Arbeiterrecht. Ueberall vermag GR.
als Politiker den abstrakten Normen zeitgeschichtlichen Inhalt zu geben,
in einem weiten allgemeinen und vorausschauend intuitiven Zusammen-
hang.
Aus solchem Grunde brauchte schließlich, als kurz vor Abschluß seiner
Arbeit der amtliche deutsche Entwurf unterm 24. April 1919 den
neuen Gedanken eines Weltparlamentes darbrachte, und SCHÜCKING dieses
Weltparlament zu einem Zweikammersystem ausgestaltete, der Verf. die
Betrachtung dieser Vorschläge nicht in einen Anhang zu verweisen; viel-
mehr schließen sie harmonisch seine weitausblickend politischen Gedanken
ab. Das Problem der Willensbildung von Gesamtheiten tritt auf. Der
Verf. weist darauf hin, daß er für die deutsche Republik das Zweikammer-
system gefordert habe mit einem Oberhaus, das aus der wirtschaftlichen
Struktur des Volkes in Anlehnung an das Rätesystem hervorgehe, ein
kommendes Ding an Stelle deı Halbheit des 8 165 der Reichsverfassung!
So gilt denn heute noch mehr als bei Abfassung seiner Schrift die Ver-
weisung des Ausbaus des Zweikammersystems vorerst in das Innere des
Staats. Das Zweikammersystem in internationalen Dingen heißt „das Dach
des Gebäudes vor dem Erdgeschoß erbauen“. Wenn es vielleicht nicht
geraten schien, solch weitgehendsten Forderungen bei Ausbau des Völker-
bundes nachzugeben, so ist er doch allzusehr in den Kinderschuhen stecken-
geblieben. Das deutet der Verf. an, indem er den Bund wegen der über-