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schiedenen, nicht allzustark abweichenden Variationen überlieferte
— Vorstellung zu vergegenwärtigen, daß das Völkerrecht und das
staatliche Recht, beide als höchste Ordnungen, unabhängig und
selbständig nebeneinander stünden, trotzdem daß sie in immer
steigendem Maße voneinander Notiz, aufeinander Bezug nehmen ;
und man vergegenwärtige sich den alogischen Versuch einer ein-
heitlichen Rechtswissenschaft von dieser dualistischen Rechtswelt!
Neben diesen Ungedanken der Koordination von Völkerrecht und
Staatsrecht, (die aber doch keiner dritten höheren Ordnung sub-
ordiniert seien — eben weil sie selbst als höchste und gleich-
wertig gedacht werden), tritt die (von KELSEN treffend ins Licht
gerückte) weitere Unstimmigkeit zurück, daß nur der einen
dieser beiden vermeintlich höchsten Ordnungen das Attribut des
Zuhöchstseins, eben die Souveränität zugesprochen zu werden
pflegt, und daß diese Souveränität gerade dem Staatsrecht und
nicht dem Völkerrechte zukommen soll (S. 102). Freilich wird
diese unbewußte Einsicht, die in dieser Beschränkung des Attri-
buts der Souveränität auf die eine der beiden Ordnungen zum
Ausdruck kommt, durch die Tatsache verdunkelt, daß die Be-
griffsmerkmale der Souveränität doch in der Regel wieder
beiden Ordnungen zugebilligt werden, so daß der terminologischen
Einsicht ein logisches Verkennen gegenübersteht.
Es wird in diesem Zusammenhange offenbar, daß und inwie-
fern die Klärung des Souveränitätsbegriffes Voraussetzung für die
Klärung des Verhältnisses zwischen Staats- und Völkerrecht ist;
warum ein Werk wie das vorliegende, das auf eine systematische
Vereinigung von Staats- und Völkerrecht hinausläuft, in seinem
überwiegenden Teil zu einer Kritik der herrschenden Souveräni-
tätstheorie werden mußte. Betrachtet man die Souveränität als
irgendeine kausal erfaßbare Eigenschaft von Normsystemen, dann
ist nicht einzusehen, warum nicht zwei oder mehrere solche
gleicherweise souveräne Normsysteme in eine höhere Einheit sollten
münden können, also z. B. (dem Begriffe, wenn auch nicht