Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 41 (41)

II. 
Literatur. 
  
August Sturm. Irrtum und Rechtsschmerz. Eine rechtspsycho- 
logische Abhandlung. Wendt & Klauwell, Langensalza. 1920. 
Sturm will zeigen, daß das Recht von den Intellektualisten zu Unrecht 
auf Kategorien des Verstandes gegründet werde und daß es in Wahr- 
heit in einer letzten Gefühlstiefe wurzle Er weist darauf hin, daß 
eine Verletzung des Rechts nicht hloß eine intellektuelle Verwunderung 
sondern ein Gefühl des Gekränktseins, den Rechtsschmerz auslöse, 
während Täuschungen auf intellektuellem Gebiet lediglich Verwunderung zur 
Folge hätten, ohne das Gefühl in Anspruch zu nehmen. Leider bleibt es 
bei diesem flüchtigen Hinweis, der weitere Inhalt der Schrift dient nicht 
der Vertiefung oder Klärung dieses Gedankens. Sturm spricht von indischer 
Weltverneinung und psychophysischem Parallelismus, von prästabilierter 
Harmonie und Nietzsches Willen zur Macht, von Goethes „Müttern“ 
und Stammlers ‚richtigem Recht“, vom Daimonion in uns und von 
Vaihingers „Als ob“, von Kants Schematismus und dem Erdgeruch des 
Rechts, von Heraklits Weltanschauung und dem „Einzelling* Kaspar 
Hauser, von der Harfe des Auges und dem Herz des Juristen, von 
der Weltliebe und vom fingierten Wahnsinn, ohne daß wir auf diese Weise 
etwas Wesentliches über die eigentümliche Struktur des Rechtsgefühls er- 
führen. Er verliert sich in einer Fülle von „Fiktionen“ des geltenden und 
römischen Rechts, er unterscheidet in wenig zureichender Weise echte und 
unechte Fiktionen, Fiktionen, Abstraktionen und Ideen, ohne den Nachweis zu er- 
bringen, daß diese Ausführungen mit seiner These in innerem Zusammenhang 
stehen, ja,erbehauptet— inanscheinendem oder wirklichem Gegensatz zu dieser 
These —, der Intellekt habe die 5 von ihm aufgestellten Rechtsreak- 
tionen hinter die Rechtsverletzung gesetzt, und damit der Wille neben dem 
Gefühl und Intellekt nicht zu kurz kommt, erklärt er, das Recht sei zuerst 
— Wille. Nicht mit einer klaren psychologischen Analyse haben wir es 
hier zu tun, sondern mit einem Gedankenkaleidoskop, das an gewisse futu- 
ristische Werke der bildenden Kunst erinnert, Caro.
	        
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