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jenigen Partei, welche im Parlamente den Ausschlag gibt!®. In
dem maßgebenden Einflusse auf die Bildung der obersten Regie-
rungsorgane d.i. des Kabinetts — also der Regierung im subjek-
tiven Sinne —, nicht in der Ausübung der Regierung in objektiver
Bedeutung (s. oben Anm. 1), besteht nun nach der Ansicht HASBACHS
das Wesen des parlamentarischen Systems. Da wo sich das Par-
lament der Regierung d. i. der gesamten Staatsverwaltung selbst
bemächtigt oder in diese unmittelbar eingreift, liege ein Mißbrauch
seiner Macht vor. Deshalb sei an Stelle des bekannteren und
allgemein üblichen Wortes „parlamentarische Regierung“ besser
„parlamentarische Kabinettsregierung“ zu setzen. Eine wirklichepar-
lamentarische Regierung sei nur da vorhanden, wo das Parlament die
Verwaltungsgeschäfte durch verschiedene Ausschüsse führe und ein
einziges, alle Aufgaben der Exekutive zusammenfassendes Kabinett
nicht bestehe. Eine solche Art parlamentarischer Regierung habe
es zeitweilig in England gegeben; sie habe sich im Geheimen
auch in den Vereinigten Staaten entwickelt und bestehe heute in
besonders eigenartiger Form in der Schweizer Eidgenossenschaft
(a. a. O. 8. 30 £.).
Zunächst bedeutet aber in dem Ausdrucke „parlamen-
tarische Regierung* das Wort Regierung nicht Regierung in
dem oben angegebenen objektiven Sinne, nämlich als Ober-
leitung des gesamten Staates, sondern Regierung in subjektiver
Beziehung, als Gesamtheit der die staatliche Herrschaft ausübenden
Organe. Das Parlament „regiert“ oder soll wenigstens regieren
nur in dem Sinne, daß es die „Regierung“ einsetzt oder stürzt
(R. THOMA im Arch. d. öff. Rechts, Bd. 40, 8. 236)”. Wenn sich
16 Im Verfassungsausschussezur Beratung der neuen sächsischen Landes-
verfassung ist dies auch unverhohlen ausgesprochen worden, s. Ber. der
Volkskammer a. a. O. 834 8. 9, 41.
17 Deshalb spricht sich R. TaomA auch sehr energisch gegen die
HaspacHasche Bezeichnung aus. Der Ausdruck „Kabinettsregierung“ sei
schon deshalb ganz ungeeignet zur Bezeichnung des Wesentlichen, worauf
es hier ankomme, weil eine reine Kabinettsregierung sich überall auch da
auswirken könne, wo ein Monarch oder eine Volkswahl ein regierendes
Ministerium einsetzt und dann frei gewähren läßt.