Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 41 (41)

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Willen zum Ausdruck bringe. Die Zusammensetzung des Parla- 
mentes sei also Ausdruck des „Volkswillens“, richtiger des Wil- 
lens der Wählerschaft, so wie er sich in einem bestimmten Zeit- 
punkte gestaltet hat, und in dieser Hinsicht unterscheide sich das 
Parlament allerdings scharf von jeder Regierung, die nicht aus 
Volkswahlen hervorgeht, möge sie nun Monarchie oder was immer 
sonst sein. Dieser Gegensatz müßte nun eigentlich da wegfallen, 
wo das Staatsoberhaupt, wie in den Vereinigten Staaten und jetzt 
auch im Deutschen Reiche, gleichfalls durch das Volk oder, wie 
in den deutschen Ländern, durch die Volksvertretung selbst ge- 
wählt wird. Gleichwohl treten auch hier Regierung und Parla- 
ment als Organe ftir verschiedene staatsıechtliche Aufgaben ein- 
ander gegenüber und können auch hier in Widerstreit geraten. 
Jener Gegensatz und dieser Widerstreit werden nun im parlamen- 
tarisch regierten Staate dadurch aufgehoben und gelöst, daß unter 
allen Umständen der Wille des Parlamentes die Oberhand behält, 
daß die Regierung entweder dem Parlamente nachgeben oder gänz- 
lich weichen muß, um einer anderen, dem Parlamente genehmen 
Regierung Platz zu machen. Erst dann wird wieder Harmonie 
zwischen beiden bestehen, aber nur so lange, als die Regierung 
sich dem Parlamente fügt. Kann man aber einen solchen Zustand 
erzwungener Uebereinstimmung wirklich noch Harmonie nennen? 
MAx V. SEYDEL verneint das mit Recht. Und läßt sich ernstlich 
behaupten, daß in allen Fällen, wo ein Ministerium durch die herr- 
schende Partei des Parlamentes gestürzt wird, sich hierin immer 
auch wirklich der Wille des Volkes kundgebe? Auch dies ist zu 
verneinen. Denn die Annahme, daß das Parlament, die Volks- 
vertretung, das Volk "d. h. die Gesamtheit der Untertanen selbst 
darstelle, beruht lediglich auf einer gesetzlichen Fiktion *". die 
— 
2? S, hierzu RIEKER, Die rechtliche Natur der modernen Volksvertre- 
tung, 1883, S. 58, 54: „Diese Fiktion ist nur ein schwacher Nachklang jener 
andern, bei der der Widerspruch mit der Wirklichkeit noch viel handgreif- 
licher ist, nämlich der Theorie vom „Contrat social“.
	        
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