— 304 —
77 der neuen Verfassung geordnet®®. DerSchöpferder Gesetze
ist der Reichstag — Art. 68 Abs.2: „Die Reichsgesetze werden vom
Reichstage beschlossen*; — der Reichspräsident ist nur
das ausführende, nicht mitschaffende Organ — Art. 70: „Der
Reichspräsident hat die verfassungsmäßig zustande gekommenen
Gesetze auszufertigen und binnen Monatsfrist im Reichsgesetzblatt
zu verkünden“ *. Er hat innerhalb eines Monats nur das Recht,
ein vom Reichstage beschlossenes Gesetz zum Volksentscheid zu
bringen (Art. 73 Abs. 1). Sonst aber steht nach Art. 74 dem
Reichsrat innerhalb bestimmter Frist der Einspruch gegen
die vom Reichstage beschlossenen Gesetze zu*°. Dieser Einspruch
wirkt als suspensives Veto und hat, wenn bei nochmaliger Beschluß-
fassung des Reichstags, die unter allen Umständen herbeizuführen
ist, keine Uebereinstimmung zwischen diesem und dem Beichsrat
erzielt wird, dieFolge, daß entweder nach Bestimmung des Reichs-
“3 Ueber die verschiedenen Zweifelsfragen, die sich an diese Bestim-
mungen knüpfen, vgl. die eingehenden Untersuchungen von TRIEPEL im
Arch. des öff. Rechts 39. Bd. S. 456 ff.
#4 Zustandegekommen ist das Gesetz mit dem Tag der Schlußabstim-
mung im Reichstage oder dem Tag des Volksentscheides. Die Ausferti-
gung bedeutet die Ausstellung der Gesetzesurkunde. Darin liegt
die urkundliche Feststellung, daß das Gesetz verfassungsmäßig zustande
gekommen ist, sowohl nach Form wie nach Inhalt. Die Verkündigung
verleiht dem Gesetze die formelle Rechtskraft. Ueber das richterliche
Prüfungsrecht in beiderlei Hinsicht, s. TRIEPEL a. a. O. S. 534 ff.
#5 Der Reichsrat hat nicht, wie der ehemalige Bundesrat, einen Anteil
am Gesetzesbeschlusse, er ist nicht gesetzgebender Faktor,
hat daher auch nicht ein Recht der Zustimmung zum Erlasse von
Reichsgesetzen, mit alleiniger Ausnahme des Falles von Art. 85 Abs. 4 (Er-
höhung und Neueinführung von Ausgaben im Haushaltungsplan) oder wenn
ein vom Reichstage beschlossenes Gesetz vor Ablauf der Einspruchsfrist
des Reichsrates verkündet werden soll. Immerhin ist das Einspruchsrecht
von erheblicher praktischer Bedeutung. Es kann unter Umständen sogar
als absolutes Veto wirken. $. hierzu und über andere Wirkungen
des Einspruchs die interessanten Darlegungen von TRIEPEL a. a. O. S. 512 ff.
$. im übrigen über die Rechtsstellung des Reichsrates auch NAWIASKY
2. & OÖ. 8. 5öfl.