Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 41 (41)

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Ferner DE NIEM a. a. O.: 
„Ein jeder dieser so gewählten Abgeordneten fühlt aber sofort den 
Beruf zum Gesetzgeber in sich und stimmt mit derselben Seelenruhe ab 
über ein Viehseuchengesetz wie über eine Zivilprozeßordnung, über Hand- 
werkskammern wie über eine Neuordnung der Erbfolge.“ 
Und nicht bloß das, er hält sich auch für berufen, Gesetzes- 
vorlagen zu verbessern und sie durch eigene Anträge entsprechend 
dem von ihm vertretenen Interessenstandpunkt umzugestalten oder 
zu ergänzen oder auch selbständig neue Gesetze in Vorschlag zu 
bringen. Es ist aber oft ebenso schwer, ein fertiges Gesetz zu 
„verbessern“, als ein neues zu schaffen, und es ist viel leichter, 
gesetzgeberische Gedanken zu haben, als solche in die Tat ümzu- 
setzen und ihnen die hierzu geeignete Form zu geben. Das weiß 
jeder, der, wie der Verfasser, längere Zeit selbst im parlamenta- 
rischen Leben gestanden hat und dabei mehrere größere Gesetz- 
'entwürfe in zwei Kammern zu vertreten und mit diesen zu beraten 
hatte. Er weiß auch, welche Gefahr für den ganzen geschlossenen 
Aufbau und innern Zusammenhang eines Gesetzes oft anscheinend 
unerhebliche, lediglich von Parteiinteressen diktierte Anträge mit 
sich bringen und mit welcher Vorsicht man verfahren muß, wenn 
man solchen Anträgen, lediglich aus Gründen der Politik, um 
nicht das Gesetz scheitern, zu lassen, zu entsprechen genötigt ist. 
Und wenn hierbei schließlich weder in formaljuristischer noch in 
materieller Hinsicht etwas allseitig Befriedigendes herauskommt. 
so ist ein solches Ergebnis gewiß nicht der Arbeit der Regierung, 
sondern nur der parlamentarischen Behandlung zuzuschreiben. 
Man sehe sich z. B. die Reichsgewerbeordnung an. Welches 
unübersichtliche und planlose Monstrum von Gesetz ist daraus 
durch die zahllosen, nachträglich auf Verlangen des Reichstags 
eingefügten Bestimmungen geworden, so daß es ohne Kommentar 
kaum noch richtig verstanden werden kann! 
Alle solche Uebelstände werden um so fühlbarer beim parla- 
mentarischen System, wo der wesentlich bestimmende Faktor der 
Gesetzgebung nicht die Regierung, sondern das Parlament ist.
	        
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