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daß der Reichspräsident, um einen derartigen Antrag zu verhin-
dern, sich dem Willen des Reichstags fügen würde. Die Absicht,
in dem volksgewählten Präsidenten ein Gegengewicht gegen die
Vorberrschaft des Parlamentes zu schaffen, wäre da.nit durch-
kreuzt, die Verwirklichung des parlamentarischen Systems in
seiner echten Form in Frage gestellt. Die Forderung, daß der
Präsident einer absoluten Stimmenmehrheit zur Wahl bedarf, ge-
währt auch eine gewisse Garantie dafür, daß die Parteien nicht
bloße Parteipolitiker als Kandidaten aufstellen. Bei der in
Deutschland herrschenden Parteizersplitterung wird nur ein Mann,
dessen Bedeutung über die Parteipolitik hinausgeht, Aussicht
haben, eine absolute Stimmenmehrheit zu erringen und die Par-
teien werden auf diese Tatsache bei der Kandidatenaufstellung
Rücksicht nehmen müssen. Man hat ausdrücklich weder einen
reinen Parteimann noch eine reine Schachfigur auf dem Posten
des Reichspräsidenten sehen wollen, sondern eine überragende
Persönlichkeit. Der Abgeordnete Delbrück betonte in seinem
Referat in der Nationalversammlung als Berichterstatter des
8. Ausschusses ausdrücklich: „Die Machtbefugnisse des Präsiden-
ten sind gering. Sein Einfluß wird im wesentlichen nicht von
seinen Kompetenzen abhängen, sondern von dem persönlichen
Einfluß, den eine überragende Persönlichkeit, ja allen Kompetenz-
bestimmungen zum Trotz auf die Minister, die er ernennt und
beruft und auf den Gang der Regierungsgeschäfte auszuüben in
der Lage ist.“ Die Stellung des Reichspräsidenten ist hier mit
Worten umschrieben, die man unverändert auf die Stellung des
englischen Königs anwenden könnte. Eine derartige Stellung,
die ihn befähigt, im parlamentarischen System die Rolle zu spielen,
die man ihm zugedacht hat, wird der Reichspräsident nur inne
haben, wenn die absolute Mehrheit des Volkes ihn gewählt hat.
Die Reichsregierung.
Die Reichsregierung besteht aus dem Reichskanzler und den