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Die Frage ist nun, ob eine Verschmelzung dieser beiden Systeme
möglich ist, ohne daß eines der beiden Systeme seine Eigenart
einbüßt. Diese Frage kann am besten gelöst werden, wenn man
die Lösungsversuche betrachtet, die in Gestalt der freistaatlichen
Verfassungen der verschiedenen Länder existieren.
Die Regierungsbildung in Bayern nach den Vorschriften der
Verfassung vom 14. August 1919.
Die beiden Staatsgrundgesetze.
In Bayern erließ die revolutionäre Regierung acht Tage vor
den Wahlen zum verfassunggebenden Landtag, am 4. Januar 1919,
ein Staatsgrundgesetz, das dem Landtag bei seiner verfassung-
gebenden Tätigkeit als Richtschnur dienen sollte. Ueber die Re-
gierungsbildung enthielt dieses Gesetz keine Vorschriften. Im Falle
eines Konfliktes zwischen Landtag und Regierung sollte das Volk
entscheiden. In welcher Absicht diese Bestimmung getroffen wurde,
läßt sich schwer sagen, vermutlich in der Hoffnung, am Volk eine
Stütze gegen den Landtag zu haben. Es kam nicht zur Probe
auf dieses Exempel. Die erste Sitzung des Landtages am 21. Fe-
bruar wurde durch äußere Ereignisse unterbrochen. Als der Land-
tag im März 1919 neuerdings zusammentrat, wurde diesmal auf
Grund Landtagsbeschlusses ein Staatsgrundgesetz mit dem Datum
vom 17. März 1919 erlassen. Dieses Gesetz bestimmte in $ 8,
daß die oberste, vollziehende Gewalt vom Gesamtministerium aus-
geübt werde. Der Vorsitzende des Gesamtministeriums wird vom
Landtag mit Stimmenmehrheit der Gesamtzahl seiner Mitglieder
gewählt. Die übrigen Minister werden von ihm berufen. Da die
Minister zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Landtags be-
dürfen, ergibt sich für den Vorsitzenden des Ministeriums die
Notwendigkeit, die Wahl seiner Kollegen im Einvernehmen mit
den Parteien des Landtags vorzunehmen. Einzig und allein die
Parteien des Landtags übten damit den bestimmenden Einfluß auf
die Regierungsbildung aus. Die letzte Entscheidung über die
Archiv des öffentlichen Rechts. XLI. 1. 3