Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 41 (41)

—_ 33 — 
Die Frage ist nun, ob eine Verschmelzung dieser beiden Systeme 
möglich ist, ohne daß eines der beiden Systeme seine Eigenart 
einbüßt. Diese Frage kann am besten gelöst werden, wenn man 
die Lösungsversuche betrachtet, die in Gestalt der freistaatlichen 
Verfassungen der verschiedenen Länder existieren. 
Die Regierungsbildung in Bayern nach den Vorschriften der 
Verfassung vom 14. August 1919. 
Die beiden Staatsgrundgesetze. 
In Bayern erließ die revolutionäre Regierung acht Tage vor 
den Wahlen zum verfassunggebenden Landtag, am 4. Januar 1919, 
ein Staatsgrundgesetz, das dem Landtag bei seiner verfassung- 
gebenden Tätigkeit als Richtschnur dienen sollte. Ueber die Re- 
gierungsbildung enthielt dieses Gesetz keine Vorschriften. Im Falle 
eines Konfliktes zwischen Landtag und Regierung sollte das Volk 
entscheiden. In welcher Absicht diese Bestimmung getroffen wurde, 
läßt sich schwer sagen, vermutlich in der Hoffnung, am Volk eine 
Stütze gegen den Landtag zu haben. Es kam nicht zur Probe 
auf dieses Exempel. Die erste Sitzung des Landtages am 21. Fe- 
bruar wurde durch äußere Ereignisse unterbrochen. Als der Land- 
tag im März 1919 neuerdings zusammentrat, wurde diesmal auf 
Grund Landtagsbeschlusses ein Staatsgrundgesetz mit dem Datum 
vom 17. März 1919 erlassen. Dieses Gesetz bestimmte in $ 8, 
daß die oberste, vollziehende Gewalt vom Gesamtministerium aus- 
geübt werde. Der Vorsitzende des Gesamtministeriums wird vom 
Landtag mit Stimmenmehrheit der Gesamtzahl seiner Mitglieder 
gewählt. Die übrigen Minister werden von ihm berufen. Da die 
Minister zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Landtags be- 
dürfen, ergibt sich für den Vorsitzenden des Ministeriums die 
Notwendigkeit, die Wahl seiner Kollegen im Einvernehmen mit 
den Parteien des Landtags vorzunehmen. Einzig und allein die 
Parteien des Landtags übten damit den bestimmenden Einfluß auf 
die Regierungsbildung aus. Die letzte Entscheidung über die 
Archiv des öffentlichen Rechts. XLI. 1. 3
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.