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die Gerichte, grenzen deren Sprengel ab; die Landesregierung er-
nennt die Richter; der Justizminister des Einzelstaats übt die
Justizaufsicht aus usw. Damit erklärt es sich, daß deutsche Ein-
zelstaaten jetzt noch Verträge (Konventionen) über die Einsetzung
gemeinschaftlicher Gerichte miteinander abschließen können. So
sind gemeinschaftliche Oberlandesgerichte für die thüringischen
Staaten in Jena, für die beiden Mecklenburg in Rostock, für die
Hansestädte in Hamburg, gemeinsame Landgerichte in Rudolstadt.
Meiningen errichtet; es kann selbst ein Staat die Ausübung seiner
Gerichtsbarkeit in gewissen Beziehungen einem anderen über-
tragen, wie es Waldeck gegenüber Preußen getan hat. Aber auch
die Rechtsprechung, die Entscheidung der Rechtsstreitigkeiten, ist
Sache der Einzelstaaten; die deutschen Gerichte sprechen regel-
mäßig nicht im Namen des Reichs, sondern im Namen des Landes
(der freien Stadt) Recht. Dagegen hat das Reich — abgesehen
von den früher erwähnten besonderen Reichsverwaltungsgerichten
— sich in den wichtigsten Rechtssachen die Gerichtsbarkeit ober-
ster Instanz und damit im Interesse der Rechtseinheit die Mög-
liehkeit vorbehalten, die in den Einzelstaaten erlassenen Urteile
zu überprüfen und gegebenenfalls aufzuheben. Deshalb ist das
höchste deutsche Gericht, wie schon sein Name sagt, ein „Reichs-
gericht“.
I.
Die Gerichte sind in der Regel ständig, also dauernde
Einrichtungen zur Erledigung von Rechtssachen bestimmter Art;
sie werden nicht für den Einzelfall besonders eingesetzt, wodurch
die Staatsgewalt dessen Entscheidung mittelbar beeinflussen könnte.
„Ausnahmegerichte sind unstatthaft* (GVG. $ 16, Satz 1, RV.
Art. 105, S. 1). Vielmehr sind die Gerichte ohne Rücksicht auf
Person und Gegenstand des einzelnen Prozesses in gleichmäßiger,
von vornherein bestimmter Weise besetzt. Wer nach den all-
gemeinen Regeln der Zuständigkeit vor ein bestimmtes Gericht
gehört, darf nicht einem anderen vorhandenen oder gar eigens