—_— 19 —_
IV.
Um den Prozeßstoff objektiv und unbefangen beurteilen zu
können, müssen die Gerichtsbehörden und Richter unabhängig
sein: nach oben und unten, nach innen wie nach außen. Be-
sondere Rechtssätze und gesetzliche Garantien wollen die richter-
liche Unabhängigkeit nach jeder Richtung sicherstellen.
1. Zunächst denkt man mit GVG. $ 1 und RV. Art. 102 an
die Unabhängigkeit nach oben. Sie besteht darin, daß die
Richter in ihrer rein richterlichen, rechtsprechenden Tätigkeit, bei
gerichtlichen Entscheidungen, nicht aber bei (Justiz-)Verwaltungs-
geschäften (EG. z. GVG. $ 4), nicht an Befehle, Weisungen oder
Belehrungen eines Vorgesetzten gebunden sind, sondern sich nur
nach dem Gesetz und ihrem Gewissen zu richten haben; alle
Kabinettsjustiz oder Beeinflussung der Rechtsprechung dureh die
Regierung und alles, was darauf unmittelbar oder mittelbar hin-
ausläuft, ist grundsätzlich verboten (GVG. $ 1).
Was dagegen das Verhältnis des Richters (auch des Laienrich-
ters)?° zum Gesetz anlangt, so ist er diesem bedingungslos „unter-
worfen“. Er muß es ohne Rücksicht darauf anwenden, ob es ihm
billig erscheint und seinem Gerechtigkeitsgefühl entspricht; er
darf es nicht umgehen oder verbessern wollen, sich dem Gesetz-
22 Näheres s. bei DoERR, Begriff und Grenzen der richterl. Unab-
hängigkeit, Rhein. Zeitschr. f. Zivil- und Prozeßrecht III S. 425 ff. mit ein-
gehenden Literaturnachweisen. Vgl. ferner das neben den deutschen auch
die österreichischen Verhältnisse berücksichtigende Buch von MAX BURCK-
HARD, Der Richter, Berl. 1909 [Das Recht, hrsgeg. v. Fr. KOBLER, Bd. IV],
S. 23 ff, sowie den Aufsatz von WıLH. Marx, Richter und Justizver-
waltung, bei Bozi und Heinemann, Recht, Verwaltung und Politik im
Neuen Deutschland, Stuttgart 1916, S. 33 f., bes. 8. 37 fl. — Gegen die
neuerdings von RG. i. Ziv. Bd. 89 Nr. 3 angenommene Zulässigkeit zeug-
schaftlicher Vernehmung eines Richters über den Hergang bei der geheimen
Beratung und Abstimmung mit Recht Marsson, DJZ. 1918 Sp. 152 f£.
?: Es gibt kein vom Gesetz entbundenes Volksrichteramt, Ein Wider-
spruch liegt freilich darin, daß das geltende Recht die Laienrichter Ge-
setzen „unterwirft“, die sie gar nicht kennen, auch nicht zu kennen brauchen.