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verhängnisvollen, Clemenceau und Lloyd George so gelegen kommenden
Aufenthaltsunterbrechung und Amerikareise — mehr und mehr in der Pariser
Luft unter den Großangriffen seiner stärkernervigen „Alliierten“ zusammen-
brechenden, letzten Endes doch reichlich unbedeutenden, aber anständigen
Idealisten, der schließlich noch heilfroh ist, als er aus dem Konglomerat
seiner 27 Punkte den von ihm als wichtigsten angesehenen, die Schaffung
eines Völkerbundes, durchzudrücken vermag. Ist Band I der Publikation
von größter Wichtigkeit, um die enervierende Pest- und Stickatmosphäre
kennen zu lernen, in der die Giftpflanze, die sich „Versailler Frieden“ nennt,
allein gedeihen konnte, gibt er uns dabei bedeutsames Material für den
Völkerbundsabschnitt jenes Instruments, so ist doch Band II für uns Deutsche
von erheblich größerer Bedeutung. In teilweise zu dramatischer Höchst-
spannung gesteigerter Darstellung sehen wir hier den Kampf um die Haupt-
probleme: das Problem der Sicherungen und die Wirtschaftsfragen. Wilson
erstrebte einen dauernden Weltfrieden, gegründet auf gesunden moralischen
Prinzipien und erhärtet durch wechselseitige Garantien: Frankreich dachte
nur an französische Sicherheit, französische Reparationen, französische
Expansionen. Wilson erblickte wahre Sicherheit nur in gegenseitigem Ver-
trauen; die Franzosen sahen Sicherheit nur in „rauchenden Rohren und
eisernen Scherben‘ (S.4). „Ihr Programm erschien äußerlich so geschickt,
so fähig, so vollkommen, wie es innerlich von monumentaler Dummheit
und Kurzsichtigkeit war. Es war darauf berechnet, Frankreich allein zur
gesichertsten und mächtigsten Nation auf dem Kontinent zu machen (S. 7)*.
Dem Programm entsprach der Vorschlag Fochs: „In Zukunft muß der Rhein
die westliche militärische Grenze der deutschen Länder sein.“ „Die Wacht
am Rhein* muß zum Kampfruf Frankreichs werden“ (S.8). Hochinteressant,
ja im Augenblicke geradezu blitzstrahlartig die Vorgänge in den Rheinlanden
beleuchtend, ist die Feststellung der Absichten Fochs: „erstens Deutschland
wird auf „Armeslänge“ ferngehalten und einem überraschenden Schlage
vorgebeugt; zweitens, die reichen und bevölkerten Rheinprovinzen werden
von Deutschland getrennt, was gleichzeitig eine politische und wirtschaft-
liche Schwächung bedeutet“ (S. 9). Richtig erkeunt BAKER die wahre Ab-
sicht Fochs: „er wollte alle ehemaligen Bande zwischen diesen reichen
Gebieten und Deutschland lösen und sie mit Frankreich vereinigen ....
Natürlich verlassen diese Vorschläge das amerikanische Programm [und,
wie ich ergänzen möchte, damit den Vorfriedensvertrag, als den ich die
dem Waffenstillstand vorangegangenen Verhandlungen auffasse) in jedem
einzelnen Punkte. In diesem Zusammenhange die offene Bestätigung
der französischen, auf die „Zerschmetterung des deutschen Blocks“ ge-
richteten Wünsche (S. 12, 13). Erreichte Frankreich das auch nicht, so
verhinderte es doch Deutschlands Wachstum durch Verbot des Ausschlusses
von Oesterreich. Die gleichen Tendenzen sehen wir heute, da die Franzosen
an Rhein und Ruhr stehen, von neuem im Frieden verfolgt. Und damit