Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

8 18. Zuständigkeit des Bundesrathes. 99 
das Präsidium (Preußen) und mindestens vier andere, und zwar vier verschiedene 
Bundesstaaten vertreten sein (Absatz 2 in Artikel 8). In allen diesen Ausschüssen 
führt Preußen nach der Geschäftsordnung für den Bundesrath den Vorsitz. 
Die Mitglieder der unter 3 bis 4 bezeichneten Ausschüsse wählt der Bundesrath, 
so weit fie zu wählen find, d. h. der Bundesrath wählt die Staaten, die außer 
Preußen Vertreter in die Ausschüffe bestellen dürfen. In dem Ausschusse für das 
Landheer und die Festungen hat nach der Reichsverfassung Bayern einen stän- 
digen Sitz, desgleichen Sachsen nach den Militair-Konventionen mit Sachsen vom 
7. Februar 18671, § 2, und Württemberg nach der Militair-Konvention vom 
21./25. November 1870 (B.-G.-Bl. 1870, S. 658), Artikel 15. Die übrigen Mit- 
glieder des Ausschusses für das Landheer und die Festungen und sämmtliche Mit- 
glieder des Ausschusses für das Seewesen, d. h. die Staaten, welche je einen Ver- 
treter zu bestellen haben, ernennt der Kaiser nach freiem Ermessen. Das Präsidium 
(Preußen) und die übrigen die Ausschüsse bildenden Staaten können nach der Ge- 
schäftsordnung des Bundesrathes nicht bloß die Bundesrathsmitglieder, sondern 
auch deren Stellvertreter ernennen. 
Der zu 8 in Artikel 8 der Reichsverfassung aufgeführte Ausschuß für die 
auswärtigen Angelegenheiten beruht auf der Abmachung in II, § 6 des mit 
Bayern ahgeschlossenen Vertrages vom 283. November 1870 (B.-G.-Bl. 1871, 
S. 9); er ist gleichfalls ein dauernder im vorbeschriebenen Sinne. Den Vorsitz in 
ihm führt Bayern. Die Zahl der Mitglieder ist verfassungsmäßig auf fünf 
begrenzt, die Mitglieder find die drei Königreiche Bayern, Sachsen und 
Württemberg und zwei alljährlich vom Bundesrathe gewählte andere Bundes- 
staaten. Dieser Ausschuß soll Mittheilungen über die auswärtigen Beziehungen 
des Deutschen Reiches von der Reichsregierung entgegennehmen und die Ansichten 
der Regierungen hierüber austauschen (vgl. Delbrück vom 5. December 1870 im 
norddeutschen Reichstag, II. außerordentliche Session, Sten. Ber. S. 611). Alle 
Bundesrathsausschüsse, mit Einschluß des unter dem Vorsitze Bayerns für die aus- 
wärtigen Angelegenheiten errichteten, haben ihren Sitz am Sitze des Bundezsraths, 
also in Berlin (Bemerkungen des Ministers Delbrück am 8. December 1870, 
Sten. Ber. des Reichstages, II. außerordentliche Session, S. 141). 
Darüber, ob die Tagungen des Bundesrathes öffentlich oder geheim 
stattfinden, enthält die Reichsverfassung keine Bestimmungen. Es steht also beim 
Bundesrathe, wie weit er für seine Sitzungen und Beschlüffe die Oeffentlichkeit zu- 
lassen will. Die Sitzungen finden sämmtlich mit Ausschluß der Oeffentlichkeit statt. 
Auch die Verhandlungen werden — wenigstens vollinhaltlich — nicht der Oeffentlich- 
keit übergeben. Ueber jede Bundesrathssitzung wird ein Protokoll ausgenommen. 
Das Protokoll wird nach seiner Feststellung von dem Vorsitzenden und dem 
Protokollführer unterzeichnet. Abdrücke der Protokolle werden nicht für die 
Oeffentlichkeit, wohl aber für den Gebrauch der Behörden hergestellt. Auch er- 
scheinen als „Drucksachen zu den Verhandlungen des Bundesrathes des Deutschen 
Reiches" Sammlungen von Anträgen, Motiven, Berichten und anderen Anlagen. 
Es ist wiederholt im Reichstage erwähnt worden (val. Sten. Ber. 1872, Bd. II, 
S. 931), daß der Bundesrath in Betreff der Veröffentlichung seiner Verhandlungen 
hinter dem ehemaligen deutschen Bundestage zurückbleibe. Dieser ließ in der Regel 
die Protokolle der Bundesversammlung drucken und mittelst einer besonderen Samm- 
lung veröffentlichen, außerdem ihren wesentlichen Inhalt alsbald durch die Tages- 
blätter bekannt machen (vgl. Beschluß der Bundesversammlung vom 8. März 1860, 
Zachariä, Deutsches Staats= und Bundesrecht, II, § 253, S. 663 ff.). 
5* 18. Zuständigkeit des Bundesrathes. 
Die Zuständigkeitsbefugnisse des Bundesrathes sind seit Errichtung des Nord- 
deutschen Bundes nicht stets die gleichen geblieben, vielmehr mannigfach — nament- 
  
1 In Glaser's Archiv des Norddeutschen Bundes, Heft 3, S. 44, und Sten, Ber. des 
Reichstages 1873, Bd. III, Aktenstück Nr. 18, S. 128 f. 
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