124 Drittes Buch. Die Organisation des Dentschen Reiches.
wen er gewählt hat. Bei seiner Abstimmung hat er indeß die auf Wahrung des
Wahlgeheimnisses berechneten Formen des Wahlgesetzes und Wahlreglements zu
beobachten. Die Stimmzettel müssen von weißem Papier und dürfen mit keinem
äußeren Kennzeichen versehen sein, widrigenfalls sie ungültig find. Der Wahlzettel
muß den Namen des zu Wählenden in lesbarer, nicht nothwendig in deutscher
Schrift (Sten. Ber. des Reichstages 1872, S. 390) enthalten und zwar unzweifel-
haft, d. h. es muß über die Identität kein Zweifel sein. Bei Stichwahlen kann
daher der bloße Name genügen (Sten. Ber. des Reichstages 1871, S. 191, 1874,
S. 286, 1879, S. 1998), auch ist falsche Schreibung unschädlich (Sten. Ber. des
Reichstages 1878, S. 104). Ungültig find Stimmzettel, in denen zwei ver-
schiedene unausgestrichene Namen enthalten find (die Ausstreichung des gedruckten
und Zufügung eines anderen Namens ist also statthaft); Sten. Ber. des Reichs-
tages 1879, S. 649 und 691. Stimmzettel, welche den Namen eines nicht Wähl-
baren, z. B. Jemandes, der nicht im Befitze der bürgerlichen Ehrenrechte oder ein
Ausländer ist, enthalten, sind ungültig. Die Unterschrift des Wählers, Proteste
und Vorbehalte, nicht aber andere Zusätze, z. B. ununterschriebene Gedichte, machen
den Stimmzettel ungültig (Sten. Ber. des Reichstages 1871, S. 42). Wenn
zwei gleiche Zettel in Eins zusammengefaltet vorgefunden find, so wird einer als
gültig gezählt, wenn sie verschiedene Namen enthalten, so wird keiner gezählt
(vgl. Sten. Ber. des Reichstages 1871, S. 18, 228, 1879, Drucks. Nr. 228 und
250, Seydel, in Hirth's Annalen 1880, S. 379, Anm. 3).
Als unzulässiges äußeres Kennzeichen gilt es nicht, macht also den Stimm-
zettel nicht ungültig, wenn aus der größeren oder geringeren Größe oder Dicke oder
der mehr oder minder weißen Färbung Schlüsse vom Wahlvorstande auf den Ge-
wählten gezogen werden können (Sten. Ber. des Reichstages 1887, S. 620, 624,
1891, S. 1411 ff. und 1892, S. 3784 ff.).
Der Wähler, welcher seinen Zettel abgeben will, hat am Tische des Wahl-
vorstandes seinen Namen und auf Erfordern seine Wohnung zu nennen. Findet
sich der Name nicht in der Wählerliste, so ist er zurückzuweisen, findet er sich, so
überreicht der Wähler den Zettel dem Wahlvorsteher und zwar in der Art zu-
sammengefaltet, daß der darauf verzeichnete Name verdeckt ist. Wenn Stimmzettel
nicht derartig zusammengefaltet oder nicht von weißem Papier, oder wenn fie mit
einem äußeren Kennzeichen versehen find, oder wenn mehrere Stimmzettel von einem
Wähler überreicht werden, so find sie zurückjuweisen. Wird der Stimmzettel ohne
Anstand befunden, so legt ihn der Wahlvorsteher uneröffnet in die Wahlurne. Der
Protokollführer vermerkt die erfolgte Stimmabgabe jedes Wählers neben dessen
Namen in der Wählerliste. Um sechs Uhr Nachmittags erklärt der Wahlvorsteher
die Abstimmung für geschlossen. Nachdem dies geschehen ist, dürfen keine Stimm-
zettel mehr angenommen werden. Es ist nicht richtig, daß Alle, welche bei der
Schließung des Wahlgeschäftes durch den Wahlvorsteher um sechs Uhr sich im
Wahllokale befinden, berechtigt zum Wählen find.
Die Ermittelung des Wahlergebnisses beginnt in allen Fällen erst nach sechs
Uhr Nachmittags. Sie beginnt mit Feststellung einerseits der Zahl der Wähler,
bei deren Namen der Abstimmungsvermerk in der Wählerliste gemacht ist, andrerseits
der Zahl der abgegebenen Stimmzettel. Diese letzteren werden daher (zunächst uneröffnet)
gezählt. Eine Ungleichheit zwischen der Zahl der vermerkten und der gezählten
Stimmen ist im Wahlprotokolle aufzuführen. Sodann erfolgt die Eröffnung und
Verlesung der Wahlzettel. Gleichzeitig mit der Verlesung erfolgt die Prüfung der
Gültigkeit der Stimmen. Ueber die Gültigkeit oder Ungültigkeit entscheidet, vor-
behaltlich des dem Reichstage zustehenden endgültigen Entscheidungsrechtes, der
Wahlvorstand durch Mehrheit, was unter Beifügung der Zettel und mit kurzer
Begründung im Protokolle anzugeben ist. Die Zählung erfolgt vom Protokollführer
im Protokolle und von einem Beisitzer in der Gegenliste. Wählerliste und Gegen-
liste find vom Wahlvorstande unterschrieben dem Wahlprotokolle beizufügen. Die
nicht dem Wahlprotokolle beigegebenen Zettel hat der Wahlvorsteher in Papier ein-
zuschlagen, zu verfiegeln und so lange aufzubewahren, bis der Reichstag endgültig
über die Wahl entschieden hat.