Full text: Prinz Max von Baden. Erinnerungen und Dokumente.

darauf erwidert wurde: es gäbe einen Mann, der diesen circulus vitiosus 
durchbrechen könne kraft des Gehörs, das er bei der Obersten Heeresleitung 
und beim Kaiser finden würde; sein Programm sei Durchführung der 
Wahlrechtsreform und die Bereinigung der belgischen Frage, da wäre 
Haußmann aufgesprungen und habe aus einer schwäbischen Liebesgeschichte 
die Worte zitiert: „Zeigen Sie mir den Mann, und ich werde ihn beiraten.“ 
Und dann habe er sehr ernst binzugefügt: „Heute sollten alle Leute von- 
einander wissen, die daran arbeiten, der Katastrophe vorzubeugen.“ 
Auf diese Mitteilung hin habe ich eingewilligt, mit Haußmann eine 
Unterredung zu haben, darin die Lage offen besprochen werden sollte. 
Haußmann bat, seinen Parteifreund und Führer Payer mitbringen zu 
dürfen. 
Das Gespräch verlief ungefähr folgendermaßen: 
Ich begann mit einer kurzen Darlegung der Vorbedingungen für einen 
Frieden, womöglich noch im Herbstz ich verschwieg nicht, daß ich die Re- 
solution für verfrüht und die Regie für fehlerhaft hielt. Die Annexionisten 
hätten schärfer angreifen müssen, und dann hätte man sie auch schärfer 
zurückweisen können. Man müsse sie nicht dämpfen, wohl aber bekämpfen. 
Daran habe es auch Bethmann fehlen lassen. Mir habe Michaelis an sich 
nicht mißfallen. 
Im Laufe der Anterredung fragte mich Payer geradezu: ob ich wohl 
gegebenenfalls mich bereitfinden würde, Kanzler zu werden. Ich erwiderte, 
von selbst wäre ich nicht auf den Gedanken gekommen, daß ich ein solches 
Amt übernehmen könne. Sollte ich je diesem Plane nähertreten, so müßte 
ich überzeugt sein, daß niemand geeigneter wäre als ich. Es sei ein Zufall, 
kein Verdienst, daß in meiner Person ein paar momentan willkommene 
Eigenschaften und Voraussetzungen zusammenträfen. 
Aber es gäbe auch starke Einwendungen: ich sei kein Redner, nament- 
lich kein Debatter; wenn ich mir auch zutraute, vorbereitete Reden zu 
halten. Weiter sei es für mich als Thronfolger ein Wagnis, in den Partei- 
kampf zu treten. 
Payer erwiderte mir freundlich, mit der Redegewandtheit der Reichs- 
kanzler, die er gehört habe, sei es auch nicht zum besten bestellt gewesen. 
Auch wachse der Mensch mit seinen höheren Zwecken. Haußmann fügte 
einiges Liebenswürdige hinzu und meinte, mir würden ja immer Darla- 
mentarier und Staatssekretäre zur Seite stehen, um meinen Standpunkt 
durchzufechten. Erforderlich würde sein und Hauptsache, daß ich mich offen 
auf die Mehrheitsparteien stützte und so die parlamentarische Regierung 
verwirklichte. Wegen meiner künftigen Stellung in Baden brauchte ich 
keine Bedenken zu haben; Baden habe, mit Ausnahme des norddeutschen 
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