Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

6 25. Der Weg der Reichgesetzgebung. 181 
Stimmengleichheit im Bundesrathe (Art. 7, Abs. 3), sondern schon wenn eine 
Meinungsverschiedenheit im Bundesrathe vorliegt. Dies ist aber auch dann 
der Fall, wenn nur Preußen eine abweichende Meinung hat. Also giebt Abs. 2 
in Artikel 5 Preußen ein Veto, und zwar ein abfolutes Veto, gegen jede 
gesetzliche Aenderung der Zölle, der gemeinschaftlichen Steuern und des Heerwesens: 
Preußen ist daher auf diesen Gebieten als ein selbstständiger gesetzgebender Factor zu 
behandeln, da ohne seine Zustimmung nichts geändert werden darf; indeß kann 
Preußen sein Recht des Vetos nur innerhalb des Bundesraths ausüben und hat 
dieses Recht verloren, wenn es unterläßt, es bei der Beschlußfassung im Bundes- 
rathe zur Geltung zu bringen. In Bezug auf den Umfang des der Krone Preußen 
zustehenden Vetos ist anzuführen, daß es sich nach dem Wortlaute nur auf Ge- 
setzesvorschläge bezieht, daß es aber in der Sache auch bei jeder anderen Um- 
gestaltung des bisherigen Rechtszustandes zur Geltung kommt. Bezüglich der Ver- 
waltungsvorschriften und Einrichtungen bei Ausführung der gemeinschaftlichen Zoll- 
und Steuergesetzgebung ist dies in Art. 37 der Verfassung noch besonders aus- 
gesprochen, ergiebt sich aber allgemein, namentlich bezüglich des Militärwesens, aus 
den Schlußworten in Art. 5. Denn Preußen hat mehr als ein Veto gegen jede 
Veränderung militärischer Einrichtungen; es hat die uneingeschränkte Verfügung, 
weil behufs Erhaltung der unentbehrlichen Einheit in der Administration, Ver- 
pflegung, Bewaffnung und Ausrüstung aller Truppentheile des deutschen Heeres, 
alle seit Emanation der Verfassung ergangenen und ergehenden Anordnungen für die 
preußische Armee den Commandeuren der übrigen Contingente zur Nachachtung 
mitzutheilen und nachzuachten sind . Das Veto Preußens gegen Nenderungen des 
Militärwesens ohne seinen Willen ist durch Twesten im verfassungsberathenden 
Neichstage beantragt worden?, und zwar in der jetzigen Form, nämlich dahin, daß 
die Stimme des Präfidiums den Ausschlag geben soll, „wenn fie sich für die Auf- 
rechterhaltung der bestehenden Einrichtungen ausspricht“". Hierzu bemerkte 
Dr. Wagener-Neustettin (Sten. Ber. S. 306) sehr zutreffend, in dem Art. 577 
sei ausgesprochen, daß mit der Publication dieser Verfassung alle Bestimmungen 
der preußischen Militärgesetzgebung ohne Weiteres in den verbündeten Ländern ein- 
geführt find. Es fehle aber in diesem Artikel die ausdrückliche Bestimmung 
darüber, wie und in welcher Weise die Weiterbildung dieser Militärgesetzgebung 
erjolgen soll. Man kann entweder annehmen, daß auch die weitere preußische 
Gesetzgebung, wie sie sich durch die eigene Legislatur Preußens entwickelt, ohne 
Beiteres als in allen verbündeten Staaten eingeführt gelten soll, oder aber, daß 
man diese Gesetzgebung dem Organe der verbündeten Regierungen (also dem 
Bundesrathe) und dem Reichstage überweise. Er stimme für das Twesten'sche 
Amendement — welches die Gesetzgebung Preußen entzieht und dem Reiche über- 
trägt — nur mit dem gleichfalls Twesten'schen Zusatze des preußischen Vetos um 
deswillen, „weil ich allerdings glaube, daß Preußen, wenn es sich seiner eigenen 
Legislatur über seine Militärverhältnisse begiebt und in den Reichstag verlegt, 
derienigen Garantie bedarf, die im zweiten Satze des Twesten'schen Amendements 
ausgesprochen wird, nämlich, daß Veränderungen bestehender Einrichtungen auf 
diesem Gebiete gegen den Widerspruch der Krone Preußen nicht erfolgen können.“ 
Der Antragsteller Twesten bemerkte dazu (Sten. Ber. S. 308) u. A.: „— Ich 
acreptire es, daß die Gesetzgebung über das Militär-- und Marinewesen aus dem 
preußischen Landtag auf den Reichstag übertragen wird: ich meine aber, daß auch 
die Bestimmung der Preußischen Verfassung, nach welcher der Krone Preußen ein 
unbedingtes Veto zusteht, hier zugleich übertragen werden muß. Wenn auch die 
Krone Preußen thatsächlich ohne Zweifel in der Lage sein würde, nicht majorifirt 
zu werden, — so meine ich, find wir verpflichtet, der Krone dieses factische Ver- 
hältniß auch rechtlich zu sichern, und ich habe dazu dieselbe Form wählen zu müssen 
  
  
  
1 Art. 63 der Verfass., letzter Abs., und dazu 2 Drucksachen Nr. 16, Bezold, Materialien 
TArndt, Verordnungsrecht, 7 131 a4 vI I. S. 457 
Jetzt Art. 61. 
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