Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

14 Erstes Buch. Entstehung des heutigen Deutschen Reiches. 
unter dem Schutze des Gesetzes vom 26. Mai 1818 außerordentlich aufblühte — 
so stieg von 1819 bis 1825 die Zahl der Stühle in der Baumwollen= und Halb- 
baumwollenindustrie um 60 % und die Zahl der Leinwandwebstühle um 55.000 —, 
während die Production im übrigen Deutschland, vor Allem im Königreiche 
Sachsen und in den übrigen mitteldeutschen Staaten, schwer darniederlag. 
Am 1. Januar 1834 umfaßte der Zollverein 7730 Quadratmeilen mit 
23 478129 Einwohnern, i. J. 1836 schon 8110 Quadratmeilen mit rund 26 Mil- 
lionen Einwohnern. Im Jahre 1841 traten Lippe und Braunschweig, im folgen- 
den Jahre das Großherzogthum Luxemburg bei. Infolge der Verträge vom 7. Sep- 
tember 1851 und 1. März 1852 traten auch die Länder des „Steuervereins“: 
Hannover, Oldenburg, Schaumburg-Lippe, dem Zollverein bei. 
Die Zollvereinigungsverträge mit allen dem Zollverein beigetretenen Staaten 
wurden durch die Verträge vom 4. April 1853 und 16. Mai 1865 um je zwölf 
Jahre verlängert. 
Es bestanden im Zollverein übereinstimmende Gesetze über Einfuhr-, Durchfuhr= und 
Ausfuhr-Zölle und -Verbote, seit dem Jahre 1841 auch über die Rübenzuckersteuer. 
Für die Bestrafung und Strafverfolgung der Zoll= und Steuervergehen galten 
gleiche Grundsätze, die Verwaltung war gleichmäßig organisirt und unter wechsel- 
seitige Controle gestellt. Der Ertrag der Zölle und der Zuckersteuer wurde — 
abgesehen von den sogenannten Präcipuen — nach dem Maßstabe der Bevölkerung 
vertheilt. Zur Aufrechterhaltung der Gleichmäßigkeit trat alljährlich eine General- 
zollconferenz zusammen, die hauptsächlich über die Erledigung der bei Ausführung 
der Verträge hervortretenden Mängel und Beschwerden, über Abänderungen an den 
gesetzlichen Bestimmungen und die sogenannten Verwaltungsvorschriften zu be- 
schließen hatte — Aufgaben, welche die heutige Verfassungsurkunde für das Deutsche 
Reich in Artikel 7, Absatz 1, Ziffer 1 und 2 dem Bundesrathe des Deutschen 
Reichs übertragen hat. 
Der wesentliche Inhalt der Zollvereinigungsverträge, soweit er staatsrechtliche 
Bedeutung hat, ist der folgende: 
In den Gebieten der vertragschließenden Staaten sollen übereinstimmende Ge- 
setze über Eingangs= und Ausgangsabgaben, sowie über die Durchfuhr bestehen mit 
gewissen Modificationen, die, ohne dem gemeinsamen Zwecke Abbruch zu thun, aus 
Eigenthümlichkeiten oder aus localen Interessen sich als nothwendig ergeben. Die 
Durchgangsabgaben wurden später gänzlich aufgehoben (Art. 3 des Zollvereinigungs- 
vertrages vom 8. Juli 1867, Bundesgesetzblatt S. 81), die Ausfuhrzölle allmäh- 
lich beseitigt, der letzte auf Lumpen zum Schutze der deutschen Papierfabrikation 
fiel 1878. Die Verwaltung der Zölle und der gemeinschaftlichen Steuern und die 
Organisation der dazu dienenden Behörden soll in allen Ländern des Zollvereins 
möglichst auf gleichen Fuß gebracht werden. Eingangs-, Ausgangs= und Durch- 
gangsabgaben werden an den gemeinschaftlichen Landesgrenzen der vertragenden 
Theile nicht erhoben, und es können alle im freien Verkehre des einen Gebietsvbe- 
reits befindlichen Gegenstände auch frei und unbeschwert in das andere Gebiet 
gegenseitig eingeführt werden, mit alleinigem Vorbehalte der im Innern der ver- 
tragenden Theile mit einer nicht gemeinschaftlichen Steuer belegten inländischen 
Erzeugnisse. Dieser Vorbehalt bezog sich insbesondere auf den Verkehr mit Salz 
und Spielkarten, rücksichtlich welcher damals in den einzelnen Staaten das Monopol 
galt. Die Freiheit des Handels und Verkehrs zwischen den vertragenden Theilen 
soll auch beim Eintritte außerordentlicher Umstände, insbesondere auch bei einem 
drohenden oder ausgebrochenen Kriege, nach Möglichkeit gewahrt werden. Wenn 
mit Rücksicht auf ausbrechende Epidemien die Verkehrsfreiheit beschränkt wird, 
dürfen im Verhältnisse von einem Vereinslande zum anderen keine hemmenderen. 
Einrichtungen getroffen werden, als unter gleichen Umständen den inneren Verkehr 
des Staates treffen, welcher fie anordnet. Chausseegelder oder andere statt derselben 
bestehende Abgaben, insbesondere Pflaster-, Damm-, Brücken= und Fährgelder, oder 
unter welchem Namen dergleichen Abgaben bestehen, ohne Unterschied, ob die Er- 
hebung für Rechnung des Staates oder eines Privatberechtigten, namentlich einer 
Commune geschieht, sollen sowohl auf Chausseen, als auch auf unchaussirten Land- 
und Heerstraßen, welche die unmittelbare Verbindung zwischen den an einander 
 
	        
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