Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

202 Blertes Buch. Die Gesetzgebung des Deutschen Reiches. 
wie den Bundesrath, für besonders geeignet, allgemeine Instruktionen und 
Verordnungen zu erlassen, welche wir ihm stillschweigend übertragen.“ 
Das Recht zum Erlasse von Ausführungsverordnungen steht dem Bundesrathe 
zu nicht bloß bei Reichsgesetzen, sondern auch bei der Reichsverfassung, den Gesetzen 
des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Zollvereins 1, nicht dagegen bei 
Landesgesetzen . 
Der Bundesrath hat die allgemeinen, d. h. die in allen Staaten gültigen 
Ausführungsverordnungen zu erlassen. Insbesondere sind allgemeine Verwaltungs- 
vorschriften im Sinne der Art. 7 und 39 der Reichsverfassung diejenigen, welche 
der Bundesrath für das ganze gemeinschaftliche Zoll- und Steuergebiet erläßt, 
z. B. Aus= und Einfuhrverbote; s. serner den Bundesrathsbeschluß vom 6. Juli 
1878 über die Abgabefreiheit der sogenannten Kali= oder Abraumsalze im Gegen- 
labehne, den, welche auf Grund besonderer Ermächtigung von den Einzelregierungen 
ergehen“ 
Aus dem Umstande, daß der Bundesrath nur allgemeine Verwaltungs- 
vorschriften erlassen darf, folgt nicht, daß die Landesregierungen beliebig die be- 
sonderen für ihre Unterthanen treffen dürfen. Ueberall, wo die Gesetzgebungs- 
befugniß des Reiches ausschließlich ist, z. B. bei den Zöllen und gemeinschaftlichen 
Steuern (Art. 35), oder wo und soweit auch innerhalb seiner facultativen Zu- 
ständigkeit der Reichsgesetzgeber erschöpfend eine Materie regeln wollte, sind Landes- 
verordnungen zur Ausführung von Reichsgesetzen nur statthaft, wo fie besonders 
vom Reichsgesetzgeber zugelassen find 5. So besteht auch in der Praxis kein Zweifel 
darüber, daß Rechtsvorschriften zur Ausführung von Reichsgesetzen nur vom Reiche 
und von einem Einzelstaate nur auf Grund besonderer reichsgesetzlicher Ermächtigung 
erlassen werden dürfen 6. 
Unter „Einrichtungen“ im Sinne des Art. 7 find z. B. die Aufstellung 
von Reichsbehörden (Rechnungshof, Reichshauptkasse) und die Gründung z. B. der 
archäologischen Institute zu verstehen 7. 
Der Bundesrath hat das Recht zum Erlasse der allgemeinen Verwaltungs- 
vorschriften nur, wenn nichts Anderes bestimmt ist. In überaus häufigen 
Fällen ist die Befugniß zum Erlasse von Verordnungen Anderen üÜbertragen 
worden, dem Kaiser in Post= und Telegraphensachen durch Art. 50 der Reichs- 
verfassung, meist auch in den Militärgesetzen, ferner dem Reichskanzler, häufig sogar 
Landesregierungen und Landesbehörden. Die von Landesregierungen und Landes- 
behörden auf Grund reichsgesetzlicher Ermächtigung erlassenen Verordnungen stehen 
in ihrer Wirkung den Reichsgesetzen gleich, fie haben legis imperül vicem und 
gehen wie diese den Landesgesetzen mit Einschluß der Landesverfassungen vors. 
Daß die vom Reiche zur Ausführung von Reichsgesetzen oder sonst auf Grund 
ertheilter Ermächtigung von Seiten des Reichsgesetzgebers erlassenen Verordnungen 
die Kraft von Reichsgesetzen haben, versteht sich ebenso von selbst, wie es heute 
unstreitig ist. Denn solche Verordnungen find Reichsgesetze mit der Maßgabe, daß 
ihr Inhalt nicht unmittelbar, wohl aber mittelbar vom Reichsgesetzgeber ge- 
schrieben ist. 
Nicht zu verwechseln mit den Landesverordnungen zur Ausführung eines 
Reichsgesetzes find Landesverordnungen, welche der Reichsgesetzgeber zuläßt (duldet) 
  
  
  
1 Siehe ollvereinigungevertrag vom 8. Juli'der Bundesglieder besteht, ihre Behörden mit 
1867 (B.-G.-Bl. 1867, S. 81), art 8, § 12. Dienstanweisungen zu versehen, so ist ein solches 
: Känel- Staatsrecht, I. S. 781. Recht etwas ganz Anderes, da es sich dabei 
entralblatt für das Nu he Reich 1878, um keine Rechtsnormen handelt. 
935. Arndt, Vererdnungsrecht, ebenso Sey- 
Z. B. Bestimmungen des pruf. ginanz- del, Comm., S. 1 52 ff. u. s. w , dagegen E. 
minissbirr vom 18. Lul nr 2 (Preuß. Ab- Loening, —’ 1 S. 56 
gabenv. Centralbl. 1872, S. 3 6s Siehe Arndt, Veror nungsrecht, S. 185, 
Arndt, Saese . 310, S. "2. a. O. Seydel, in Hirth's Annalen 1874, S. 1148, 
" Ebenso Hänel, Staatsrecht, I. S. 394. La band, I, S. 577, Rosin, Polizeiverord- 
Wenn Seydel, Comm., S. 141, die Ansicht nungsrecht u. A. m., Sehden Comm., S. 141, 
aufstellt, daß neben den allgemeinen Ver= Hänel, Staatsrecht, 1 297. 
waltungsvorschriften des Bundesrathes das Recht 
 
	        
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