Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

18 Erstes Buch. Entstehnug des heutigen Deutschen Reiches. 
wählte, den republikanischen Antrag auf Permanenzerklärung ablehnte, die Aufhebung 
aller Ausnahmegesetze beim deutschen Bundestage beantragte und erwirkte 1, und 
endlich am 3. April die Zusammenberufung „einer constituirenden National- 
versammlung“ nach Frankfurt beschloß. Diese sollte aus Urwahlen aller volljährigen 
und selbstständigen Staatsangehörigen hervorgehen. Die künftige Verfassung 
Deutschlands sollte „einzig und allein dieser constituirenden Nationalversammlung 
überlassen sein“. 
Der deutsche Bundestag hatte schon am Tage vor dem Zusammentritt des 
„Vorparlamentes" (30. März) beschlossen, die Bundesregierungen aufzufordern, daß 
sie in ihren zum Bunde gehörigen Ländern Wahlen von Nationalvertretern an- 
ordnen. Diese Vertreter sollten keine „constituirende Gewalt“ haben. Zwar wird 
in dem Vortrage des Revisionsausschusses, auf welchen hin dieser Beschluß gefaßt 
wurde, die zu wählende Versammlung als eine constituirende bezeichnet, sie 
sollte dies aber nicht sein; denn es wird als ihre Aufgabe bezeichnet, „zwischen 
den Regierungen und dem Volke das deutsche Verfassungswerk 
zu Stande zu bringen“, während in dem erwähnten Vortrage des Revisions- 
ausschusses ausdrücklich bemerkt wird: „Auch wird die Annahme der neuen Ver- 
fassung nicht von dieser constituirenden Versammlung allein abhängen können, 
vielmehr werden die Regierungen durch die Bundesversammlung oder durch andere 
Organe immer den zweiten contrahirenden Theil bilden'.“ Der 
Beschluß des Bundestages vom 30. März wurde durch den des Vorparlaments 
und des von diesem bestellten und zurückgelassenen „Fünfziger-Ausschusses“ ergänzt 
bezw. abgeändert und kam solchergestalt zur Ausführung 3, d. h. es wurden (auf 
je 50 000 Seelen ein Abgeordneter), und zwar auf Grund des allgemeinen und 
gleichen Wahlrechts, Abgeordnete zu einer Nationalversammlung gewählt. Am 
18. Mai 1848 trat unter unermeßlichem Jubel und Glockengeläute die „National- 
versammlung“ in der Paulskirche zu Frankfurt zusammen. Zum ersten Präsidenten 
wurde Heinrich v. Gagern gewählt. Ohne jedes Recht und im Widerspruch 
mit dem Beschlusse des Bundestages vom 30. März erklärte die Nationalversamm- 
lung am 27. Mai (Antrag Raveaux-Werner), sich lediglich auf die vermeintliche 
Volkssouveränetät stützend und sich als deren Vertreter betrachtend“: 
„Die deutsche Nationalversammlung, als das aus dem Willen und den 
Wahlen der deutschen Nation hervorgegangene Organ zur Begründung der 
Einheit und politischen Freiheit Deutschlands, erklärt: daß alle Bestimmungen 
einzelner deutscher Verfassungen, welche mit dem von ihr zu gründenden 
allgemeinen Verfassungswerke nicht übereinstimmen, nur nach Maßgabe der 
letzteren als gültig zu betrachten find, — ihrer bis dahin bestandenen Wirk- 
samkeit unbeschadet."“ # 
Die Frankfurter Nationalversammlung war rechtlich nur eine Notabeln= 
versammlung, ebenso wie der sog. constituirende norddeutsche Reichstag v. J. 1867. 
Beide hatten politisches Ansehen und Popularität. Die Beschlüsse der Frankfurter 
Nationalversammlung so gut wie die des constituirenden norddeutschen Reichstages 
konnten aber rechtsverbindliche Kraft nur erlangen, wenn die Einzelstaaten, ein 
jeder nach Maßgabe seiner Verfassung, diese Beschlüsse annahmen. Die Befugniß, 
sich die Souveränetät oder die constituirende Gewalt beizulegen, war der Frank- 
furter Nationalversammlung weder vom deutschen Bundestage, noch von den ein- 
zelnen Bundesregierungen beigelegt worden. Uebrigens wurde der Beschluß vom 
27. Mai — wenigstens ausdrücklich — weder von dem Bundestage, noch von den 
Bundesregierungen anerkannt. 
Nachdem Versuche der republikanischen Partei, einen Vollziehungs-Ausschuß 
zu errichten, gescheitert waren, schuf die Nationalversammlung durch ein sogenanntes 
Gesetz vom 28. Juni über Einführung einer provisorischen Centralgewalt für 
Deutschland (sog. „kühner Griff“ H. v. Gagern's) eine „provisorische Centralgewalt“ 
und übertrug diese am 29. Juni dem „nunverantwortlichen Reichsverweser“" Erz- 
  
1 H. v. Meyer, II, S. 475. 4 Sten. Ber. der deutschen constituirenden 
: Mejer, Einleitung, § 54, S. 208 ff. Versammlung, herausgegeben von F. Wigard, 
s Zachariä, 1, § 44, S. 200 ff. S. 155.
	        
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