Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

302 Sechstes Buch. Berkehrswesen. 
Orte öffentliche Telegraphenlinien für den Ortsverkehr zur Benutzung gegen Entgelt 
errichtet, so kann jeder Eigenthümer eines Grundstücks (Miether mit Genehmigung 
des Hauseigenthümers) gegen Erfüllung der von der Telegraphenanstalt erlassenen und 
öffentlich bekannt zu machenden Bedingungen den Anschluß an das Lokalnetz verlangen. 
Die Benutzung solcher Privatstellen durch Unbefugte gegen Entgelt ist unzulässig (8 6). 
Die Telegraphenverwaltung contrahirt mit Niemandem, weder mit dem Ab- 
sender, noch mit dem Empfänger. Sie trifft keine Vereinbarungen und darf keine 
treffen über Höhe der Gebühren, Garantie und dergl. Die Gebühren und die Ge- 
bührenfreiheit wurden in Preußen und demgemäß im Reiche durch Verordnungen 
festgesetzt. § 7 des Telegraphengesetzes modificirt dies dahin, daß einerseits Er- 
höhungen (wohl aber Herabsetzungen) und andererseits eine Ausdehnung der gegen- 
wärtig bestehenden Befreiungen nicht mehr im Verordnungs= (also nur noch im 
Gesetzes-) Wege zulässig sind. Die Gebühren sind für den inländischen Verkehr in der 
vom Reichskanzler auf Grund Art. 48 der Reichsverfassung für das Deutsche Reich 
erlassenen Telegraphenordnung vom 9. Juni 1897 (Centralbl. für das Deutsche 
Reich 1897, S. 163), die Gebührenbefreiungen auf Grund der gleichen Verfassungs- 
vorschrift durch Kaiserliche Verordnung vom 2. Juni 1877 (RN.-G.-Bl. 1877, 
S. 524), die Fernsprechgebühren durch die Kaiserliche, mit Zustimmung des Bundes- 
raths erlassene Fernsprechgebühren-Ordnung vom 20. Dezember 1899 (R.-G.-Bl. 1899, 
S. 711) festgesetzt. Sämmtliche bekannten Gebühren sind bei Aufgabe des Tele- 
gramms im Voraus zu entrichten; Ergänzungsgebühren (Telegraphenordnung § 18) 
vom Empfänger, und zwar vor Aushändigung des Telegramms. Die Telegraphen- 
verwaltung leistet für die richtige Ueberkunft der Telegramme oder deren Ueberkunft 
und Zustellung innerhalb bestimmter Frist keinerlei Gewähr und hat Nachtheile, 
welche durch Verlust, Entstellung oder Verspätung der Telegramme entstehen, nicht 
zu vertreten. Doch wird die entrichtete Gebühr in gewissen Fällen zurückerstattet 
(Telegraphenordnung § 22). In Bezug auf den telegraphischen Verkehr mit dem 
Auslande kommen die Bestimmungen des internationalen Telegraphenvertrages und 
der etwaigen besonderen Telegraphenverträge zur Anwendung (Telegraphenordnung 
§ 26, II). Das Telegraphengeheimniß ist wie das Postgeheimniß geschützt 5. 
Ueber die Frage, ob Errichtung oder Betrieb einer Telegraphenanlage nach dem 
Gesetze über das Telegraphenwesen zulässig sind, ist der Rechtsweg zulässig (§ 11). 
Doch wird durch dessen Beschreitung das Zwangsverfahren nicht aufgehalten, welches 
auf Antrag des Reichskanzlers, bezw. der dazu ermächtigten Behörden nach Maß- 
gabe der Landesgesetzgebung durch die Landesbehörden zu betreiben ist. 
Da elektrische Anlagen leicht eine Störung des Betriebes der Telegraphen- 
anstalten herbeiführen, so sind in Preußen die Verwaltungsbehörden durch Circular= 
verfügung vom 16. März 1888 (Min.-Bl. f. d. innere preuß. Verwaltung 1888, 
S. 85) angewiesen, die für elektrische Anlagen erforderliche straßenbau-, bezw. 
verkehrspolizeiliche Erlaubniß nur unter Wahrung der im Interesse der Reichs- 
Telegraphenverwaltung im Einvernehmen mit der betheiligten Ober-Postdirection 
zu stellenden besonderen Bedingungen zu ertheilen. § 12 des Gesetzes schreibt 
außerdem vor, daß elektrische Anlagen, wenn eine Störung des Betriebes der einen 
Leitung durch die andere eingetreten oder zu befürchten ist, auf Kosten desjenigen 
Theils, welcher durch eine spätere Anlage oder durch eine später eintretende 
Aenderung seiner bestehenden Anlage diese Störung oder die Gefahr derselben 
veranlaßt, nach Möglichkeit so auszuführen sind, daß sie sich nicht störend beeinflussen. 
Die auf Grund dieser Bestimmungen entstehenden Streitigkeiten gehören vor die 
ordentlichen Gerichte; sie gelten als Ferien sachen (§ 13). 
Es fehlt an gesetzlichen Vorschriften, welche der Telegraphenverwaltung das 
Recht geben, für den Betrieb ihrer Linien fremden Grund und Boden, bezw. den 
zu diesem gehörenden Luftraum zu benutzen. Privatbesitzern gegenüber stehen ihnen 
solche Rechte auch jetzt nicht zu (vgl. auch § 14 des Gesetzes). Bezüglich der Eisen- 
  
1 Würden beliebige Dritte gegen Entgelt machung des Reichspostamts vom 28. Juni 1892 
solche Anschlußstelle benutzen dürfen, so wäre (Centralbl. für das Deutsche Reich 1892, S. 508) 
ies eine öffentliche Verkehrsanstalt. Die Be= festgesetzt. 
dingungen für die Betheiligung an einer getadt Siehe v. Lis 3 Völkerrecht, S. 168 f. 
Fernsprech-Einrichtung“ sind in der Bekannt- 2 S. oben S. 290.
	        
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