Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

8 38. Die Zölle. 369 
für die zollfreien Waaren unter dieser Voraussetzung ein Zoll bis zu 20 Procent 
des Werthes angeordnet werden. Diese Zölle, welche als Retorsionszölle be- 
zeichnet werden, ordnet der Kaiser nach Zustimmung des Bundesrathes an (Gesetz, 
betr. 2 Aenderung des Zolltarifgesetzes 2c. vom 18. Mai 1895, R.-G.-Bl. 1895, 
S. 233). 
Zur Erleichterung des Besuchs auswärtiger Messen und Märkte kann die zoll- 
freie Rückbringung der unverkauft gebliebenen, aus dem freien Verkehr des Zoll- 
vereins stammenden Waaren verstattet bezw. der Zoll zurückerstattet werden. 
Näheres ist im Bundesrathsbeschlusse vom 23. Dezember 1869 bestimmt 2. Nicht 
minder wird außerdeutschen Handel= und Gewerbetreibenden, welche deutsche Messen 
und Märkte besuchen, von ihren unverkauften Waaren Erlaß des Eingangszolls 
bei der Wiederausfuhr durch Rückerstattung gewährt (§ 112, Abs. 2) 3. Ebenso 
können inländische Erzeugnisse, welche, außer dem Meß- und Marktverkehr, auf 
Bestellung, zum Kommissionsverkauf, zur Ansicht, zu öffentlichen Ausstellungen oder 
zum vorübergehenden Gebrauch" nach dem Auslande gesandt sind und von dort 
zurückkommen, vom Eingangsgzolle frei gelassen werden (§ 113). Ferner kann die 
Befreiung vom Eingangszolle erfolgen, wenn Gegenstände aus dem Auslande zu 
öffentlichen Ausstellungen oder zum vorübergehenden Gebrauch" eingehen und 
demnächst wieder ausgeführt werden (§ 114). Gegenstände, welche zur Verarbeitung 
oder zur Reparatur mit der Bestimmung zur Wiederausfuhr eingehen (Ver- 
edelungsverkehr), können vom Eingangszoll befreit werden (§ 115). Bei 
Mischung ausländischen mit inländischen Getreides gilt im Allgemeinen der Satz 
(Zolltarif Nr. 9), daß in der Ausfuhr der gemischten Waare der in der Mischung 
enthaltene Procentsatz von ausländischer Waare als die zollpflichtige Menge der 
Ausfuhr anzusehen ist. Besondere Begünstigungen, nämlich Zollfreiheit, auch wenn 
die Waare mit inländischer vermischt oder verarbeitet worden ist, bezw. Zoll- 
vergütung, wird in den Fällen des § 7 des Zolltarifgesetzes in der Fassung des 
Gesetzes vom 24. Mai 1885 bezw. vom 14. April 1894 (R.-G.-Bl. 1894, S. 335) 
gewährt bei Getreidelagern, Holzlagern und bei Mühlen, selbstverständlich unter 
den vom Bundesrath festgesetzten Controlen. Nach § 7, Ziff. 2 des Gesetzes vom 
24. Mai 1885 (R.-G.-Bl. 1885, S. 111) kann nämlich für Abfälle, welche bei 
der Bearbeitung von Bau= und Nutzholz in den Transitlagern entstehen, wenn die 
Hölzer in das Ausland ausgeführt werden, ein entsprechender Nachlaß an dem Zolle 
gewährt werden, welcher beträgt: a) für Säge= und Schnittwaaren 20 bis 33½, 
b) für ungesäumte Bretter 20, c) für gesägte Furnire 50, d) für Hobelarbeit 15 
und e) in allen übrigen Fällen 7152 Procent. 
Während der Regel nach Befreiungen, Ermächtigungen oder Rückvergütungen 
nur bei der Identität der ein= und ausgeführten Waaren stattfinden, hat das 
Gesetz vom 14. April 1894 (N.-G.-Bl. 1894, S. 335) bei Getreide aller Art, 
Mehl und dergl. dieses Princip (den Identitätsnachweis) fallen lassen und bestimmt, 
daß bei der Ausfuhr von Weizen, Roggen u. s. w., wenn die ausgeführte Menge 
wenigstens 500 Kilogramm beträgt, auf Antrag des Waarenführers Bescheinigungen 
(Einfuhrscheine) ertheilt werden, welche den Inhaber berechtigen, innerhalb einer 
vom Bundesrath auf längstens sechs Monate zu bemessenden Frist eine dem Zoll- 
werth der Einfuhrscheine entsprechende Menge der nämlichen Waarengattung ohne 
Zollentrichtung einzuführen 5. Ferner gewährt dieses Gesetz den Inhabern von 
Mühlen oder Mälzereien für die Ausfuhr der von ihnen hergestellten Fabrikate 
  
1 Nicht bloß inländischen, sondern auch im 
freien Verkehr nach erfolgter Verzollung be- 
findlichen ausländischen; Denkschrift, betr. den 
Entwurf eines Vereinszollgesetzes, Anlagen des 
Zollparlaments 1869, S. 34. 
PPreuß. Abgaben-Centralbl. 1870, S. 8, 
"„ Siehe z. B. Vertrag mit der Schweiz vom 
23. Mai 1887 (R.-G.-Bl. 1881, S. 155), Art., 
Nr 
mit Oesterreich vom 23. Mai 1881 (R.-G.-Bl.] 
Arndt, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. 
  
1881, S. 123), Art. 5 u. s. w., im Vertrage mit 
Rußland vom 10. Februar 29. Januar 1894 
(R.-G.-Bl. 1894, S. 153). 
4 Siehe § 5 des Zolltarifgesetzes. 
5 Es kann also, wenn in Danzig Weizen 
ausgeführt wird, von einem Dritten, der den 
Einfuhrschein erworben hat, die gleiche Menge 
Weizen zollfrei in Oberbayern oder Mannheim 
eingeführt werden. 
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