468 Achtes Buch. Reichskriegswesen.
Was von der Ernennung der Osffiiere gilt, gilt auch von der Zur-
dispositionsstellung und Entlassung. Der Kaiser kann, wen er ernennen
darf, auch entlassen.
Abgesehen von Bayern, Sachsen und Württemberg werden alle
Officiere vom Kaiser ernannt auf Grund der mit den Staaten abgeschlossenen Con-
ventionen. Diese Conventionen find nicht Namens des Reiches, sondern des
Staates Preußen, nicht Namens des Kaisers, sondern Namens des Königs von
Preußen abgeschlossen. Die heffischen, badischen, mecklenburgischen Truppen u. s. w.
find durch diese Conventionen in Beziehung auf Commando und Verwaltung in
den Verband der preußischen Armee aufgenommen. Die badischen, heffischen,
mecklenburgischen Officiere u. s. w. find sonach preußische Officiere, also ohne Weiteres
im Kriege wie im Frieden dem unbedingten Befehle des Kaisers unterworfen und
leisten ihm den Fahneneid 1.
Da Bayern eine Sonderstellung einnimmt, worüber später gesprochen wird, so
hat der ganze Art. 64, Abs. 2 der Reichsverfassung praktische Bedeutung nur für
die württembergischen und sächsischen Truppen.
3) „Der Kaiser ist berechtigt, Behufs Versetzung mit oder ohne Beförderung für
die von Ihm im Reichsdienste, sei es im Preußischen Heere, oder in anderen Kon-
tingenten zu besetzenden Stellen aus den Offizieren aller Kontingente des Reichsheeres
zu wählen"“ (Art. 64, Abs. 3 der Reichsverfassung). Diese Vorschrift gilt nicht für Bayern,
fie ist selbstverständlich für alle in den Verband des preußischen Heeres ausgenommenen
Contingente; sie hat also gleichfalls nur für die württembergischen und sächsischen
Truppen praktische Bedeutung. In der Militärconvention mit Württemberg
ist unter Art. 8 vorgeschrieben, daß hinsichtlich etwa wünschenswerther Versetzung
einzelner Officiere aus württembergischen Diensten in die preußische Armee oder
umgekehrt in jedem Specialfalle besondere Verabredungen stattzufinden haben. Im
Nachtragsprotokoll zur sächsischen Militärconvention ist vereinbart, daß der
Kaiser von dem Rechte der Verwendung sächfischer Officiere nur dann Gebrauch
machen wird, wenn mit dieser Verwendung eine Beförderung verbunden ist.
Es ist hierbei zu beachten, daß für die Anstellung und Beförderung der
württembergischen und sächsischen Officiere die preußischen Vorschriften gelten. Die
Vorschriften, welche hierüber in Preußen vor der Verfassung bestanden haben, find
durch Art. 61, Abs. 1 der Reichsverfassung in Sachsen und Württemberg recipirt;
die später in Preußen erlassenen mußten auf Grund der Vorschrift in Art. 63,
Abs. 5 der Reichsverfassung in diesen Staaten eingeführt werden. Der in den
Militärconventionen vereinbarte Austausch von Officieren, die Gemeinschaftlichkeit
der militärischen Ausbildungsinstitute (Kriegsakademie, Schieß-, Reitschule u. s. w.)
und die Armee-Inspection trugen dazu bei, die Ausbildung und Beförderung auch
der von Sachsen und Württemberg ernannten Officiere dem preußischen Muster
auf das Vollständigste entsprechen zu lassen. Ueberdies werden nach preußischem
Schema Personal= und Qualificationsberichte über die sächsischen und württembergischen
Officiere ausgestellt, die (in Württemberg vom Stabsofficiere aufwärts) dem Kaiser
auf dessen Verlangen vorgelegt werden ?.
4) „Der Kaiser hat die Pflicht und das Recht, dafür Sorge zu tragen, daß
innerhalb des Deutschen Heeres alle Truppentheile vollzählig und kriegstüchtig vor-
handen find und daß Einheit in der Organisation und Formation, in Bewaffnung
und Kommando, in der Ausbildung der Mannschaften, sowie in der Qualifikation
der Offiziere hergestellt und erhalten wird. Zu diesem Behufe ist der Kaiser be-
rechtigt, sich jederzeit durch Inspektionen von der Verfassung der einzelnen Kon-
tingente zu überzeugen und die Abstellung der dabei vorgefundenen Mängel an-
zuordnen“ (Art. 63, Abs. 3 der Reichsverfassung). Auch diese Vorschrift hat praktische
Bedeutung nur für die württem bergischen und sächsischen Truppen. Die
Vorschriften, welche der Kaiser zur Ausführung der Vorschriften in Art. 63, Abs. 3
trifft (Exercir-, Schießreglements, Prüfungsvorschriften, Annahme, Ausbildungs-
1 Siehe auch weiter unten, § 48. 2: Siehe auch weiter unten, § 52.