544 Achtes Buch. Reichskriegswesen.
verfügt der Commandeur der Landsturmformation die Wiederentlaffung. Wehr-
fähige Deutsche, welche zum Dienst nicht verpflichtet sind, können als Freiwillige in
den Landsturm eingestellt werden.
Active Dienstpflicht.
Gewiß ist die active Dienstpflicht „ein Anwendungsfall der Unterthanen-
pflicht", und zwar „eine stark potenzirte“, sie hat auch „Treue und Gehorsam“ zum
Inhalte 1. Das Wesen der activen Dienstpflicht besteht aber darin, daß der Dienst-
pflichtige unbedingt Alles thun und Alles unterlassen muß, was der militärische
Vorgesetzte befiehlt. Während der activen Dienstzeit find Militärpersonen den
Vorschriften des Militär-Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich vom 20. Juni 1872
(R.-G.-Bl. 1872, S. 174) unterworfen 1. Außerhalb der Zeit, in welcher Personen
des Beurlaubtenstandes im activen Dienst stehen, finden diese Vorschriften nur
dann auf solche Personen Anwendung, wenn fie ausdrücklich für anwendbar erklärt
worden sind (§ 6 des Militär-Strafgesetzbuchs). Während der activen Dienstzeit
(sonst, soweit sie ausdrücklich anwendbar erklärt sind) finden auch die Disciplinar-=
strafordnungen Anwendung. Nach § 8 des Reichs-Militärgesetzes vom 2. Mai 1874
erläßt der Kaiser die Vorschriften über die Handhabung der Disciplin im Heere.
Die Disciplinarordnungen und das Recht des Kaisers, sie zu erlassen, find älter
als das Reichs-Militärgesetz und gründen sich auf das preußische Recht in Verbindung
mit Art. 61 und Art. 63, Abs. 5 der Reichsverfassung und bei der Marine auf
Art. 53 der Reichsverfassung.
In Preußen war das Disciplinarwesen für das stehende Heer namentlich durch
die Allerhöchsten Cabinetsordres vom 21. Oktober 1841 (Preuß. G.-S. 1841,
S. 325), vom 28. Dezember 1850 (Militärwochenbl. 1851, S. 21), 29. Mai 1852
(Preuß. G.-S. 1852, S. 441, Militärwochenbl. 1852, S. 142) und 15. September
1852 (Militärwochenbl. 1852, S. 181) geregelt. Diese Vorschriften gingen auf
Grund Art. 61 der Verfassung des Norddeutschen Bundes in das übrige Bundes-
gebiet über. Die vom Könige erlassene Disciplinarstrafordnung für das Heer vom
31. Oktober 1872 trat an die Stelle der vorstehend bezeichneten Bestimmungen.
Sie wurde zunächst für das preußische Contingent erlassen. Württemberg und
Sachsen waren gemäß Art. 63 der Reichsverfassung verpflichtet, dieselbe
Disciplinarstrafordnung für ihre Contingente einzuführen 2, Bayern insofern, als
es Uebereinstimmung zu halten versprochen hat s. Für die Handhabung der
Disciplin bei der Marine erging die Kaiserliche Verordnung vom 4. Juli 1891
(Marineverordnungsbl. 1891, S. 116)". In der Sache enthalten die Disciplinar-
strafverordnungen ein Strafgesetz für die milderen Fälle mit der Maßgabe, daß
über Zuwiderhandlungen gegen dieselben nicht erst erkannt zu werden (ein gericht-
liches Verfahren stattzufinden) braucht. Nicht anerkannt 5, wohl aber begrenzt ist
das Disciplinarstrafrecht — in ähnlicher Weise wie das Verordnungsstrafrecht in
Gesetzen oder das Landesstrafrecht im Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch —
durch § 3 des Einführungsgesetzes zum Militär-Strafgesetzbuche für das Deutsche
Reich vom 20. Juni 1872 (R.-G.-Bl. 1872, S. 173), welcher dahin lautet:
„Eine Bestrafung in Gemäßheit des Militär-Strafgesetzbuches kann nur auf Grund
eines gerichtlichen Erkenntnisses erfolgen. — In leichteren Fällen können im
Disziplinarwege geahndet werden: 1) Vergehen wider die §§ 64, 89 Absatz 1, 90,
91 Absatz 1, 92, 121 Absatz 1, 137, 141 Absatz 1, 146, 151; 2) Vergehen wider
§ 114 — — —. Jedoch darf im Disziplinarwege keine andere Freiheitsstrafe,
als Arrest festgesetzt werden, und die Dauer desselben vier Wochen gelinden Arrestes
oder Stubenarrestes, drei Wochen mittleren Arrestes oder vierzehn Tage strengen
Arrestes nicht übersteigen."“
1 Vgl. Laband, II, S. 616. 2 Bayer. Militärverordnungsbl. 1872, S.493.
2 S. oben S. 464 und Arndt, Verord- * Vgl. Arndt, Verordnungsrecht, S. 124.
nungsrecht, S. 71, 136. 5 Dies behauptet Laband, II, S. 618.