Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

636 Neuntes Buch. Die Reichsbeamten und die Reichsbehörden. 
zuführen, welche den Kreis der Thätigkeit eines Wagenschiebers, Fahrkartendruckers, 
Weichenstellers, Salzsieders, irgend eines Arbeiters begrenzen. Solche Personen haben 
lange, lange Zeit die nämliche Thätigkeit ausgeübt, und doch nur theils find sie Beamte 
geworden, theils sind sie Arbeiter geblieben, theils sind sie kündbare Beamte, theils 
haben sie Anspruch, nur auf Grund Disciplinarverfahrens entlassen zu werden, 
theils werden für sie an eine Versicherungsanstalt Invalidenbeiträge bezahlt, theils 
erhalten sie im Falle der Erwerbsunfähigkeit anstatt der Invalidenrente Beamten- 
pension. Der Kreis ihrer Geschäfte, ihr „Amt“, ist stets unverändert geblieben; nur 
kraft positiver Vorschrift ist ihnen theils Beamtenqualität und mitunter sogar die 
Qualität unkündbarer Beamten beigelegt worden. Es würde rechtlich nichts entgegen- 
stehen, daß die Hunderttausende staatlicher Eisenbahn-, Werft-, Grubenarbeiter sämmtlich 
die Eigenschaft von Beamten, vor Allem unkündbaren Beamten erhalten. Nicht die Natur 
der Dinge, sondern die positive Anordnung der Staatsgewalt, der Staatswille entscheidet 
darüber, ob Jemand ein Staatsamt hat, und was aus dem Innehaben dieses Amtes folgt. 
Im Reichsstaatsrecht hat man es grundsätzlich nur mit Reichsbeamten, 
Reichsämtern und Reichsbehörden zu thun. Als „Reichsverwaltung“ wird 
die Verwaltung bezeichnet, welche durch vom Reiche bestellte Organe geführt wird, 
als Staatsverwaltung die, welche von den einzelnen Bundesstaaten ausgeübt wird 1. 
Der Begriff „Reichsbehörden“ ergiebt sich nicht aus dem Gegensatze zwischen 
Reichs= und Staatsverwaltung. Reichsbehörden sind, wie Laband? richtig definirt, 
diejenigen Behörden, welche Geschäfte des Reiches führen und ihre Autorität un- 
mittelbar von der Reichsgewalt ableiten. Nicht entscheidend ist, ob die Mitglieder 
der Behörde Reichsbeamte im Sinne des Reichsbeamtengesetzes sind oder nicht, ob 
sie vom Kaiser oder in dessen Auftrage ernannt werden oder nicht, noch endlich, ob 
die Thätigkeit der Behörden durch Reichsgesetze geregelt wird 3. Entscheidend ist, 
ob sie Geschäfte des Reiches führen, ihre Autorität unmittelbar von der Reichs- 
gewalt ableiten und unter der Leitung des Reiches thätig sind. Zweifellos kann 
auch eine von einem Bundesstaate bestellte Behörde Reichsgeschäfte erledigen. Das 
Entscheidende ist, ob die Geschäfte Namens des Reiches, in dessen Auftrage und 
unter Ableitung ihrer Autorität vom Reiche geführt werden. Die Land= und 
Amtsgerichte, die Schwur= und Schöffengerichte u. s. w. sprechen nicht Recht im Namen 
des Reiches, noch leiten sie ihre Autorität vom Reiche ab, noch werden sie von 
Reichsorganen „geleitet“, folglich sind sie Landes= und nicht Reichsbehörden. Die 
Landes--Eisenbahndirectionen, die Gewerbeinspectoren, die Landes-Seeämter und die 
Aichungsämter führen zwar Reichsgesetze unter der Aufsicht des Reiches aus, aber 
nicht Namens oder unter Leitung des Reiches, sondern Namens und im Auftrage 
der einzelnen Bundesstaaten. Die Landes-Zoll- und -Steuerämter führen zwar die 
Reichs-Zoll= und -Steuergesetze aus, aber nicht Namens und (wenigstens nicht un- 
mittelbar) für Rechnung des Reiches, sondern, wenn auch unter Aufsicht, so doch 
Namens und für Rechnung der Bundesstaaten, von denen sie eingesetzt find“. In 
die Kasse dieser Staaten fließen die von ihnen gemachten Einnahmen. Den 
Weisungen dieser Staaten haben sie zu gehorchen 5. Wie der Zoll= und Steuer- 
fiskus ein Landesfiskus ist, ebenso sind auch die Landes-Zoll= und -Steuerämter 
Landes= und nicht Reichsbehörden, obgleich am letzten Ende das Reich an ihrer 
Geschäftsführung mehr als die Bundesstaaten interessirt ist. Die Postämter, die 
Oberpostdirectionen, Telegraphenämter u. s. w. — abgesehen von den bayerischen 
und württembergischen — leiten ihre Autorität vom Reiche ab, handeln Namens 
und für unmittelbare Rechnung des Reiches, verpflichten und berechtigen in ihrem 
Geschäftskreise das Reich, folglich sind sie Reichsbehörden, trotzdem die unteren Be- 
amten nicht vom Reiche, sondern von den Bundesstaaten angestellt werden . 
Die Landesbehörden haben die Verwaltung des stehenden Heeres?. Die 
  
1 Oben S. 211. suchung von Seeunfällen, vom 27. Juli 1877 
2 Staatsrecht, 1, S 82.. (Secämter, R.-G.-Bl. 1877, S. 549). 
3 Ebenso Laband- l. 5 S. oben S. 403 a. a. O. 
4 Vgl. Reichsverfassung Art.. 42 (Eisenbahn- s S. oben S. 28k o ertsch. des Reichsger. 
behörden), Art. 16 der Maaß= und 6# Gewichts- in Civils., Bd. 1 S. 
ordnung vom 17. August 1868 (B.-G.-Bl. 186 * Oben S. 4 
S. 473) und § 6 des Gesetzes, betr. die ude I
	        
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