676 Neuntes Buch. Die Reichsbeamten und die Reichsbehörden.
Behäörden die gesetzlichen Bestimmungen ihres Heimathstaates und in Ermangelung
eines plchen die Vorschriften des preußischen Rechtes zur Anwendung (§ 19,
atz 2).
Endlich findet sich in § 19, Abs. 2 die (oben S. 607 aufgeführte) in § 48
des Reichs-Militärgesetzes wiederholte Vorschrift, welche zur Folge hat, daß alle
Pensionen der Beamtenwittwen und --Waisen, sowie die Bezüge für Sterbemonat,
Gnadenmonat und Gnadenquartal in Preußen von allen directen Staats= und
Kommunalabgaben befreit find.
Die Cautions pflicht der Reichsbeamten ist durch Gesetz wegen Aufhebung
der Kautionspflicht der Reichsbeamten vom 20. Februar 1898 (R.-G.-Bl. 1898,
S. 29) aufgehoben.
5* 60. Der Reichskanzler“.
Ueber keinen Gegenstand ist bei Berathung der Norddeutschen Bundesverfassung
so lebhaft gestritten worden wie über die Einsetzung, die Verantwortlichkeit, die Art
und die Befugnisse der Reichs-Central-Verwaltungsbehörde. Der Entwurf der
Bundesverfassung enthielt nichts über die Verantwortlichkeit des Reichskanzlers und
bestimmte in Art. 12: „Das Präsidium ernennt den Bundeskanzler, welcher im
Bundesrathe den Vorsitz führt und die Geschäfte leitet,“ und in Art. 16: „Der
Bundeskanzler kann sich in Leitung der Geschäfte durch jedes andere Mitglied des
Bundesraths vermöge schriftlicher Substitution vertreten lassen.“ Zu dem Art. 12
beantragte v. Bennigsen am 26. März 1867, dem Schlufse hinzuzufügen:
„ ferner die Vorstände der einzelnen Verwaltungszweige, welche. nach dem In-
halt dieser Verfassung zur Competenz des Präfidii gehören“ 3, und Lasker, diesem
Artikel als Alinea 2 anzuschließen"“: „Dem Präsidium steht es zu, für einzelne
Zweige der Verwaltung besondere Kommissarien zu ernennen, welche nach Maßgabe
des erhaltenen Auftrages den Bundeskanzler vertreten und für den Bund zu ver-
eidigen find,“ endlich Ausfelds, statt: „die Geschäfte leitet“ „dessen Geschäfte
leitet". v. Bennigsen begründete seinen Antrag damit: „ daß es doch keinem
einzigen großen Staat einfallen wird, einen einzigen Minister mit der gesammten
Verwaltung zu beauftragen; es wird auch Niemand im Stande sein, zu sagen,
hätte ein solcher Minister auch die größte Arbeitskraft, daß er auf so vielen Ge-
bieten die Arbeiten allein übernehmen kann, ja, daß er auch nur die Controle so
weit übernehmen kann, daß er mit seinem Namen irgend eine Verantwortlichkeit,
eine innere oder eine äußere, übernehmen kann. Nun ist darauf aufmerksam gemacht
worden, daß ja die Ausschüsse (des Bundesraths) hier bei der Executive eine
gewisse Stellung hätten, und daß es deshalb gar nicht möglich wäre, daß, wenn
für die einzelnen Verwaltungszweige das Präsidium einzelne Männer ernennt, diese
wieder als verantwortlich hingestellt würden, da sie ja gar nicht, sondern die Aus-
schüsse die Beschlüsse faßten... Meiner Meinung nach haben die Ausschüsse
überhaupt gar keine Executive, sondern diese hat der Bundesratt..
Ein Hinderniß also ist in den Ausschüssen durchaus nicht vorhanden, daß die preußische
Regierung für die einzelnen Abtheilungen der Verwaltung noch besondere verant-
wortliche Männer ernennt ... Ich glaube, für mehrere dieser Zweige wird sich die
1 D. i. der, dessen Staatsangehöriger sie sind. Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft
2 Literatur: M. Seydel, Le Chan-889, S. 420 ff., Hänel, Studien, II. S. 24 f.,
cellier de 1°’Empire allemand, in der Revue S. 31ff., und die Lehrbücher von Laband,
du droit public etc. 1895, IV, p. 426 suiv., Zorn, Hänel, eorz Meyer u. s. w.
P. Hensel, Die Stellung des Reichskanzlers 2m Drucksachen Nr. 13, S. 2, Bezold, Ma-
nach dem Staatsrechte des Deutschen Reichs, in!#terialien, I. S. 713.
irth's Annalen 1881, S. 1, Joêl, ebendort 4 Drucksachen Nr. 43, Ziff. 79, Bezold, I,
878, S. 402 ff., 761 ff., W. Rosenberg, Die S. 713.
staatsrechtliche Stellung des Reichskanzlers, 1889, 5 Drucksachen Nr. 23.
K. Preuß, Die organische Bedeutung der * Sten. Ber. S. 375, Bezold, I, S. 375.
rtikel 15 und 17 der Reichsverfassung, in der