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Die Gesetzgebung für Elsaß-Lothringen wurde durch das Gesetz, betreffend die
Landesgesetzgebung von Elsaß-Lothringen, vom 2. Mai 1877 (R.-G.-Bl. 1877,
S. 491) in anderer Weise geregelt. Zwar bestimmt § 2, daß die Erlassung von
Landesgesetzen im Wege der Reichsgesetzgebung vorbehalten bleibt, jedoch in Wahr-
heit find zwei durchgreifende Unterschiede gegen den früheren Rechtszustand zu ver-
zeichnen. Erstens der Weg der Reichsgesetzgebung, der bis dahin der alleinige war,
soll nur noch ausnahmsweise betreten werden 1. Zweitens sind die Reichsgesetze,
von denen hier die Rede ist, anders geartet wie die, welche seit Einführung der
Reichsverfassung in Elsaß-Lothringen ergingen. Gesetze der letzteren Art waren vom
Reiche erlassene Landesgesetze mit den Wirkungen der Landesgesetze, die also wie
elsaß. lothringische Landesgesetze wieder abgeändert werden können. Die auf Grund
des Vorbehalts in § 2 des Gesetzes vom 2. Mai 1877 ergehenden Landesgesetze
haben die Wirkung von Reichsgesetzen, wenigstens insoweit, daß sie gemäß der Vor-
schrift in § 2, Abs. 2 nur im Wege der Reichsgesetzgebung (also nur mit Zu-
stimmung des Reichstages) aufgehoben oder abgeändert werden. Diese Gesetze find
sogar Reichsgesetze im Sinne des Art. 2 der Reichsverfassung, die im Reichsgesetz-
blatt verkündet werden. Der regelmäßige Weg der Gesetzgebung ist in § 1 des
Gesetzes vom 2. Mai 1877 vorgesehen: „Landesgesetze für Elsaß-Lothringen, ein-
schließlich des jährlichen Landeshaushalts = Etats, werden mit Zustimmung des
Bundesraths vom Kaiser erlassen, wenn der durch den Kaiserlichen Erlaß vom 29. Ok-
tober 1874 . . . eingesetzte Landesausschuß denselben zugestimmt hat.“ Gesetzgeber in
Elsaß-Lothringen ist sonach regelmäßig der Kaiser, er sanctionirt die Landesgesetze
für Elsaß-Lothringen Namens des Reiches und kraft Auftrages der Mitverbündeten.
Der Kaiser darf jedoch nur Das als Landesgesetz für Elsaß-Lothringen erklären,
wozu der Bundesrath und wozu ferner der Landesausschuß ihre Zustimmung ertheilt
haben. Der Landesausschuß steht bezüglich der Landesgesetzgebung an Stelle des
Reichstages, seine Befugniß zur Mitwirkung bei der Landesgesetzgebung beruht auf
Delegation von Seiten des Reichsgesetzgebers, insbesondere des Reichstages.
Der Landesausschuß besteht? aus 34 Mitgliedern, welche die Bezirkstage
wählen, 20, welche die Landeskreise, und je 1, welchen die Städte Straßburg,
Mülhausen, Metz und Colmar wählen, zusammen also aus 58 Mitgliedern. Die
Bezirkstage wählen die Landesausschußmitglieder aus ihrer Mitte; mit dem Ver-
luste der Mitgliedschaft im Bezirkstage hört auch die Mitgliedschaft beim Landes-
ausschusse auf. Die Wahlen in den Kreisen sind mittelbar: die Gemeinderäthe der
einzelnen Gemeinden wählen aus ihrer Mitte Wahlmänner, welche sodann das Mit-
glied zum Landesausschusse wählen. Die Wahlen der Wahlmänner und Abgeord-
neten erfolgen in geheimer Abstimmung auf drei Jahre. Wählbar zum Abgeordneten
in den Landkreisen ist, wer gemeindewahlberechtigt ist und im Gemeindebezirke
seinen Wohnsitz hat. Die Wahlmänner jedes Kreises wählen den Abgeordneten.
Die Abgeordneten der vier Städte wählen die Gemeinderäthe aus ihrer Mitte.
Mit dem Ausscheiden aus dem Gemeinderath erlischt auch die Mitgliedschaft beim
Landesausschusse. Ueber Wahlprüfungen entscheidet nicht der Landesausschuß,
sondern der Bezirksrath. Die Ausübung der Mitgliedschaft beim Landesausschufse
ist durch die Ableistung des Eides der Treue gegen den Kaiser und des Gehorsams
gegen die Verfassung bedingt. Die Berufung, Vertagung und Auflösung des Landes-
ausschusses liegt in der Prärogative des Kaisers. Die Auflösung des Landes-
ausschusses zieht die Auflösung der Bezirkstage nach sich. Die Neuwahlen zu den
Bezirkstagen haben in solchem Falle innerhalb dreier Monate, die Neuwahlen zu
dem Landesausschuß innerhalb sechs Monate nach dem Tage der Auflösungs-
verordnung stattzufinden. Der Landesausschuß wählt einen Präfidenten und zwei
Stellvertreter sowie die Schriftführer. Er kann zur Vorbereitung seiner Beschlüsse
Kommissionen und Berichterstatter ernennen. Er beschließt über seine Geschäfts-
4 Ob er betreten werden soll, hängt vom Er- 2# Erlaß vom 29. Oktober 1874 im Ges.-Bl.
messen des Bundesraths und Reichstages, vom für Elsaß-Lothringen 1874, S. 37, und R.-G.=
Reichsgesetzgeber ab. Bl. 1877, S. 491.
Arndt, Das Staatsrecht des Deutschen Neiches. 48