34 Der Ausbruch des Krieges zwischen Deutschland und dem Zweibund.
Telegramm des Reichskanzlers an den Kaiserlichen Bot-
schafter in Petersburg.
28. Juli 1914.
Wir bemühen uns unausgesetzt, Wien zu veranlassen,
in Petersburg Zweck und Umfang des österreichischen Vor-
gehens in Serbien in einer unanfechtbaren und hoffentlich
Rußland befriedigenden Weise klarzulegen. Hieran ändert
auch die inzwischen erfolgte Kriegserklärung nichts.
Der dentsche Kaiser an den Zaren.
28. Juli 1914, 10 Uhr 45 Min. nachm.
Mit der größten Beunruhigung höre ich von dem Ein-
druck, den Österreich-Ungarns Vorgehen gegen Serbien
in Deinem Reiche hervorruft. Die skrupellose Agitation,
die seit Jahren in Serbien getrieben worden ist, hat zu dem
empörenden Verbrechen geführt, dessen Opfer Erzherzog
Franz Ferdinand geworden ist. Der Geist, der die Serben
ihren eigenen König und seine Gemahlin morden ließ,
herrscht heute noch in jenem Lande. Zweifellos wirst Du
mit mir darin übereinstimmen, daß wir beide, Du und
ich, sowohl als alle Souveräne ein gemeinsames Interesse
daran haben, darauf zu bestehen, daß alle diejenigen, die
für den scheußlichen Mord moralisch verantwortlich sind,
ihre verdiente Strafe erleiden.
Andererseits übersehe ich keineswegs, wie schwierig es
für Dich und Deine Regierung ist, den Strömungen der
öffentlichen Meinung entgegenzutreten. Eingedenk der
Herzlichen Freundschaft, die uns beide seit langer Zeit mit
festem Band verbindet, setze ich daher meinen ganzen Ein-
fluß ein, um Osterreich-Ungarn dazu zu bestimmen, eine
offene und befriedigende Verständigung mit Rußland an-
zustreben. Ich hoffe zuversichtlich, daß Du mich in meinen
Bemühungen, alle Schwierigkeiten, die noch entstehen kön-
nen, zu beseitigen, unterstützen wirst.
Dein sehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter
Wilhelm.