Full text: Der Ausbruch des Weltkrieges 1914/15.

Rede des Reichskanzlers i. d. Sitzung des Reichstags v. 4. Aug. 1914. 65 
zwischen sucht England zwischen Wien und Petersburg zu 
vermitteln, wobei es von uns warm unterstützt wird. Am 
28. Juli bittet der Kaiser telegraphisch den Zaren, er möge 
bedenken, daß Osterreich-Ungarn das Recht und die Pflicht 
habe, sich gegen die großserbischen Umtriebe zu wehren, die 
seine Existenz zu unterhöhlen drohten. Der Kaiser weist 
den Zaren auf die solidarischen monarchischen Interessen 
gegenüber der Freveltat von Serajewo hin. Er bittet ihn, 
ihn persönlich zu unterstützen, um den Gegensatz zwischen 
Wien und Petersburg auszugleichen. Ungefähr zu der- 
selben Stunde und vor Empfang dieses Telegramms bittet 
der Zar seinerseits den Kaiser um seine Hilfe, er möge doch 
in Wien zur Mäßigung raten. Der Kaiser übernimmt 
die Vermittlerrolle. Aber kaum ist die von ihm angeordnete 
Aktion im Gange, so mobilisiert Rußland alle seine gegen 
Osterreich-Ungarn gerichteten Streitkräfte. Osterreich-Un- 
garn selbst aber hatte nur seine Armeekorps, die unmittel- 
bar gegen Serbien gerichtet sind, mobilisiert. Gegen Norden 
zu nur zwei Armeekorps und fern von der russischen Grenze. 
Der Kaiser weist sofort den Zaren darauf hin, daß durch 
diese Mobilmachung der russischen Streitkräfte gegen Oster- 
reich die Vermittlerrolle, die er auf Bitten des Zaren über- 
nommen hatte, erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht 
würde. Trotzdem setzen wir in Wien unsere Vermittlungs- 
aktion fort, und zwar in Formen, welche bis in das Außerste 
dessen gehen, was mit unserem Bundesverhältnis noch 
verträglich war. Während der Zeit erneuert Nußland 
spontan seine Versicherungen, daß es gegen uns keine mili- 
tärischen Vorbereitungen treffe. 
Es kommt der 31. Juli. In Wien soll die Entscheidung 
fallen. Wir haben es bereits durch unsere Vorstellungen 
erreicht, daß Wien in dem eine Zeitlang nicht mehr im 
Gange befindlichen direkten Verkehr die Aussprache mit 
Petersburg wieder aufgenommen hat. Aber noch bevor 
die letzte Entscheidung in Wien fällt, kommt die Nachricht, 
Der Ausbruch des Weltkrieges 1914/15. 5
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.