66 Der Ausbruch des Krieges zwischen Deutschland und dem Zweibund.
daß Rußland seine gesamte Wehrmacht, also auch gegen
uns, mobil gemacht hat. Die russische Regierung, die aus
unseren wiederholten Vorstellungen wußte, was Mobil-
machung an unserer Grenze bedeutet, notifiziert uns diese
Mobilmachung nicht, gibt uns zu ihr auch keinerlei auf-
klärenden Aufschluß. Erst am Nachmittag des 31. trifft
ein Telegramm des Zaren beim Kaiser ein, in dem er sich
dafür verbürgt, daß seine Armee keine provokatorische Hal-
tung gegen uns einnehmen werde. Aber die Mobilmachung
an unserer Grenze ist schon seit der Nacht vom 30. zum 31.
Juli in vollem Gange. Während wir auf russisches Bitten
in Wien vermitteln, erhebt sich die russische Wehrmacht an
unserer langen, fast ganz offenen Grenze, und Frankreich
mobilisiert zwar noch nicht, aber trifft doch, wie es zugibt,
militärische Vorbereitungen.
Und wir? — Wir hatten (in Erregung auf den Tisch schla-
gend und mit starker Betonung) absichtlich bis dahin keinen Re-
servemann einberufen, dem europäischen Frieden zuliebel!
Sollten wir jetzt weiter geduldig warten, bis etwa die
Mächte, zwischen denen wir eingekeilt sind, den Zeit-
punkt zum Losschlagen wählten? Dieser Gefahr Deutsch-
land auszusetzen, wäre ein Verbrechen gewesen! Darum
fordern wir noch am 31. Juli von Rußland die Demobili-
sierung, als einzige Maßregel, welche noch den europäischen
Frieden retten könnte. Der Kaiserliche Botschafter in Peters-
burg erhält ferner den Auftrag, der russischen Regierung
zu erklären, daß wir im Falle der Ablehnung unserer For-
derung den Kriegszustand als eingetreten betrachten müßten.
Der Kaiserliche Botschafter hat diesen Auftrag aus-
geführt. Wie Rußland auf unsere Forderung der De-
mobilisierung geantwortet hat, wissen wir heute noch nicht.
Telegraphische Meldungen darüber sind nicht bis an uns
gelangt, obwohl der Telegraph weit unwichtigere Meldun-
gen noch übermittelte.
So sah sich, als die gestellte Frist längst verstrichen war,