72 Der Ausbruch des Krieges zwischen Deutschland und dem Zweibund.
bis zur letzten Stunde zu vermitteln, aber seine äußeren
Handlungen hatten es auf eine Demütigung der beiden
Dreibundmächte abgesehen. England war die erste Groß-
macht, die militärische Maßnahmen in großem Stile an-
ordnete und dadurch eine Stimmung insbesondere bei Ruß-
land und Frankreich schuf, die allen Vermittlungsaktio-
nen im höchsten Grade abträglich war. Es ergibt sich aus
dem Berichte des französischen Geschäftsträgers in London
vom 27. Juli (Gelbbuch Nr. 66), daß schon am 24. Juli
der Befehlshaber der englischen Flotte diskret seine Maß-
nahmen für die Zusammenziehung der Flotte bei Port-
land getroffen hatte. Großbritannien hat also früher
mobilisiert als selbst Serbien. Großbritannien hat
sich ferner ebenso wie Frankreich geweigert, in Peters-
burg mäßigend und zügelnd einzuwirken. Auf die Mel-
dungen des englischen Botschafters in Petersburg, aus
denen ganz klar hervorging, daß nur eine Mahnung an
Rußland, mit der Mobilisation einzuhalten, die Situation
retten konnte, hat Sir E. Grey nichts getan, sondern die
Dinge gehen lassen, wie sie gingen. Zu gleicher Zeit hat
er aber geglaubt, daß es nützlich sein würde, Deutschland
und Osterreich-Ungarn, wenn auch in nicht ganz klarer
Weise, doch deutlich genug darauf hinzuweisen, daß sich
auch England an einem europäischen Kriege beteiligen
könnte. Zu derselben Zeit also, wo England sich nach dem
Fallenlassen seiner Konferenzidee den Anschein gab, zu
wünschen, daß sich Osterreich-Ungarn auf Deutschlands
Vermittlung hin nachgiebig zeigen sollte, weist Sir Ed-
ward Grey den österreichisch= ungarischen Botschafter in
London auf die englische Flottenmobilisation hin (Blau-
buch 48), gibt dem russischen Botschafter zu verstehen, daß
sich auch England an einem Kriege beteiligen könnte, und
unterrichtet die Botschafter des Zweibundes sofort von die-
ser an die deutsche Adresse gerichteten Warnung, womit
der Sieg der Kriegspartei in Petersburg besiegelt war.