Runderlaß des Reichskanzlers vom 24. Dez. 1914. 73
Es war das gerade diejenige Haltung, die nach der sach-
verständigen Ansicht des englischen Botschafters Buchanan
am ungeeignetsten war, eine gute Stimmung zwischen den
Mächten hervorzurufen.
Unter diesen Schwierigkeiten wird man es als einen
besonderen Erfolg betrachten dürfen, daß es Deutschland
gelang, Österreich-Ungarn dem Wunsche Rußlands, in
Sonderverhandlungen einzutreten, geneigt zu machen.
Hätte Rußland, ohne seinerseits militärische Maßnahmen
zu treffen, die Verhandlungen mit Österreich-Ungarn, das
nur gegen Serbien mobilisiert hatte, im Gang gehalten,
so hätte die volle Aussicht auf Erhaltung des Weltfriedens
bestanden.
Statt dessen mobilisierte Rußland gegen Osterreich=
Ungarn, wobei Sasonow sich völlig klar darüber war (vgl.
Blaubuch 78), daß damit alle direkten Verständigungen
mit Osterreich-Ungarn hinfielen. Das mühsame Resultat
der deutschen Vermittlungsverhandlungen war damit mit
einem Schlage erledigt.
Was geschah nun seitens der Ententemächte, um den
Frieden in dieser letzten Stunde zu erhalten?
Sir Edward Grey nahm seinen Konferenzvorschlag wie-
der auf. Auch nach Ansicht des Herrn Sasonow war jetzt
der geeignete Moment gekommen, um unter dem Druck der
russischen Mobilisation gegen Osterreich-Ungarn den alten
englischen Gedanken der Konversation zu vieren wieder zu
empfehlen. (Deutsches Weißbuch, Seite 7.) Graf Pourta-
les ließ den Minister nicht im Zweifel darüber, daß nach
seiner Auffassung die Ententemächte hiermit dasselbe von
Osterreich-Ungarn verlangten, was sie Serbien nicht hatten
zumuten wollen. Nämlich unter militärischem Druck nach-
äugeben. Unter solchen Umständen konnte Deutschland und
Osterreich- .Ungarn der Konferenzgedanke unmöglich sym-
pathisch sein. Trotzdem erklärte Deutschland in London,
daß es im Prinzip den Vorschlag einer Intervention der