183
in die Bestimmungsgründe seines wirtschaftlichen
Verhaltens?
Die erstgenannte Frage kam für Smith und
seine Schüler überhaupt nicht in Betracht auf
Grund der dogmatischen Voraussetzung, daß ein
Alumnate — Amt, Beamte, Staatsdiener.
184
der einzelne erst gebunden, wenn er des entspre-
chenden Verhaltens der andern gewiß wäre. Diese
Voraussetzung ist eine undurchführbare Fiktion.
Mit dieser Kritik soll nur die Unzuläng-
lichkeit aller natürlichen Ethik hinsichtlich des
schrankenloser wirtschaftlicher Egoismus in sich altruistischen Pflichtenkreises dargetan sein, keines-
selbst das notwendige Korrektiv zur Sicherung wegs die Unzulässigkeit solcher und ähnlicher Uber-
der allgemeinen Wohlfahrt trage. Diese Grund= legungen. Auch die christliche Moral betont den
theorie des Manchestertums hat sich als ein „wissen= Einklang der Sittengebote mit der Natur des
schaftlicher Aberglauben“ (so Jodl) erwiesen; die
Vertreter der verschiedensten wirtschaftstheoretischen
und moralphilosophischen Standpunkte sind sich
heute darin einig, daß zur Gewährleistung wirt-
Menschen, welche sich kraft freien Willens in deren
Erfüllung auslebt und bestimmungsgemäß voll-
endet.
Die einzig zureichende Begründung altruistischer
schaftlicher Wohlfahrt der egoistischen Rücksichts= Neigung und Pflicht hat das Christentum
losigkeit des einzelnen Schranken gezogen werden die Menschheit gelehrt in seinem ersten und größten
müssen, und zwar nicht nur von außen her (durch Gebot der Gottes= und Nächstenliebe. In dem
Rechtsordnung und Wohlfahrtspflege), sondern Glauben an die Gotteskindschaft und Gotteseben-
mehr noch von innen heraus, durch Einpflanzung bildlichkeit aller Menschen, im Glauben an die
und Verstärkung altruistischer Willensantriebe, Bestimmung aller Menschen zur Teilnahme an
durch Erziehung zu praktischer Nächstenliebe und der ewigen Seligkeit wird das höchste Pflichtmaß
zu sozialem Fühlen. und der mächtigste Pflichtantrieb zur werktätigen
Damit kommen wir zur zweiten Frage, und die Liebe gespendet. Nicht nur an das Gemüt und
verschiedenen ethischen Lehrsysteme bieten sich an, den Verstand, sondern an den ganzen Menschen
die Pflichten gegenüber dem Nächsten und der Ge= und zuerst an seinen freien Willen wendet sich
samtheit zu bestimmen und zu begründen. Auf dieses Gebot und macht die Erfüllung unabhängig
der einen Seite macht sich die religionslose Moral, von jedem Gegenseitigkeitskalkül, indem es Liebe
zumal in Gestalt des Sozialutilitarismus, an= und Guttat auch gegenüber den Feinden fordert.
heischig, den Altruismus aus rein menschlichen Indem das Christentum den unvergleichlichen
Wurzelgründen abzuleiten; auf der andern Seite Wert einer jeden Seele lehrt, verbietet es, eine
basiert die Sittenlehre des Christentums die Näch= Person als Sache zu gebrauchen, menschliche
stenliebe auf religiöses Pflichtgebot. Arbeit als bloße Ware. Das Christentum hat
Eine kurze Kritik der hauptsächlichsten Ab= die wahren Menschenrechte proklamiert, die Skla-
leitungsversuche des Sozialutilitarismus ist un= verei ausgerottet, die Frau dem Mann gleich-
erläßlich: Der Hinweis auf angeborne Sympathie= geordnet; das Christentum allein liefert auch die
gefühle kann als zureichende Begründung nicht
gelten; denn solche Gefühle sind individuell allzu
verschieden ausgeprägt, und gerade bei kritischen
Konflikten mit egoistischen Antrieben ist kein Ent-
scheidungsgrund gegeben. Ebensowenig genügt
der Hinweis auf die nachträglichen Lustgefühle
(„Gewissensgefühle"), die aus altruistischem Han-
deln erwachsen; auch ihre Vorwegnahme entbehrt
gerade in kritischen Fällen der hinreichenden Mo-
tivationskraft. Alle derartigen Ableitungen des
Altruismus aus einer reinen Gefühlsethik bedeuten
letzten Endes seine Zurückführung auf einen ästhe-
tisch verfeinerten Egoismus.
Eine rationalistische Ableitung des Altruismus
aus dem Egoismus bedeutet hingegen die utili-
taristische Theorie vom „wohlverstandenen Selbst-
interesse“, wonach die Förderung des Wohls
anderer und des Gesamtwohls immer nur ein
Mittel zum Zweck eigener Wohlförderung oder
Wohlsicherung sein soll. Nun gibt die goldene
Regel des Utilitarismus: „Was du nicht willst,
daß man dir tu', das füg auch keinem andern zu“,
nebst ihrer oft vergessenen positiven Ergänzung:
„Was du willst, daß man dir tul, das füg auch
andern zu“, allerdings das inhaltreiche Schema
eines altruistischen Gegenseitigkeitsverhältnisses;
aber zur praktischen Durchführung desselben wäre
gerechten Maßstäbe und verpflichtenden Antriebe
zur Hebung und Linderung der gegenwärtigen
sozialen und wirtschaftlichen Nöte.
So ist die christliche Nächstenliebe der
lebendige Inbegriff alles dessen, wovon die neue
Begriffsprägung des Altruismus nur ein ab-
geblaßtes Abstraktum übrigließe.
Literatur. Lothar Dargun, Egoismus u. A.
in der Nationalökonomie (1885); Wilh. Hasbach,
Die allg. philos. Grundlagen der von Quesnay u.
Smith begr. polit. Okonomie (1890, Bd X, Hft 2
der von Schmoller hrsg. Staats= u. Sozialwissen-
schaftl. Forschungen); Heinr. Dietzel, Beiträge zur
Methodik der Wirtschaftswissenschaft (in den Jahr-
büchern für Nationalökonomie und Statistik N. F.
IX (18841 17 ff); Georg v. Mayr, Die Pflicht im
Wirtschaftsleben (1900); Cathrein, Moralphilo-
sophie II (71904); ferner die unter Volkswirt-
schaftslehre über deren Verhältnis zu Moralwissen-
schaft u. Christentum angegebenen Schriften.
[Ettlinger.)
Alumnate s. Seminarien.
Amnestie s. Begnadigung.
Amortisationsgesetze s. Hand, tote.
Amt, Beamte, Staatsdiener. I. Amt.
1. Begriff und geschichtliche Entwicklung.
Amt, zusammengezogen aus Ambacht, bedeutet
nach der Erklärung der Sprachgelehrten (Grimm,