Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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zu Ausübung von Amtsfunktionen nicht erteilt ist, 
welche, wie z. B. zur Disposition gestellte Beamte, 
zeitweise kein Amt haben. Auch ist nicht jeder 
Staatsdiener zugleich Amtsverwalter (z. B. sog. 
charakterisierte Beamte). — Die Auseinander- 
haltung des Begriffs Beamter und Staatsbeamter 
(Staatsdiener) ist umständlicher, als es auf den 
ersten Blick erscheinen möchte. Sich anschmiegend 
an die Bedürfnisse des Lebens verwenden nämlich 
die Gesetze selbst den Ausdruck „Bekleidung öffent- 
licher Amter“ in verschiedenem Sinn. Nach dem 
deutschen Strafgesetzbuch sind Geistliche und Ad- 
vokaten nicht Beamte. Trotzdem können sie „im 
Amt“ Vergehen und Verbrechen üben. In Bezug 
auf die Folgen eines im strafrechtlichen Verfahren 
ausgesprochenen Verlustes der bürgerlichen Ehren- 
rechte sowie einer erkannten Zuchthausstrafe er- 
klärt es (§8 31 34); dieselben ziehen die Unfähig- 
keit zur Bekleidung öffentlicher Amter von selbst 
nach sich. Unter öffentlichen Amtern in diesem 
Sinn seien Advokatur, Notariat sowie der Ge- 
schworenen= und Schöffendienst mitbegriffen. Die 
charakteristischen Merkmale des Staatsbeamten im 
gewöhnlichen Sinn des Wortes liegen einmal in 
der Berechtigung und Verpflichtung zu staatlichen 
Funktionen, ferner in der dienstlichen Unterordnung 
unter die vorgesetzte Behörde, endlich darin, daß 
diese Stellung durch einen individuellen, auf die 
betreffende Persönlichkeit, die diese Verpflichtung 
übernimmt, bezüglichen Akt des öffentlichen Rechts 
erteilt ist. Das damit inaugurierte Verhältnis 
des einzelnen zum Staat besteht in dem Eingehen, 
in der übernahme einer besondern, mit Bezug 
auf ein Staatsamt bestimmten Gehorsams= und 
Treupflicht und einer damit verbundenen be- 
sondern öffentlich-rechtlichen Stellung. Die über- 
nommene Tätigkeit besteht in der Ausübung staat- 
licher Funktionen, also in der Regel in der Be- 
kleidung eines vom Staat errichteten ständigen 
Amtes. Es muß aber die dienstliche Unterordnung 
unter ein Staatsamt dazukommen, denn auch Mit- 
glieder der Volksvertretung oder einer Vertretung 
der Kommunalverbände üben staatliche Funktionen 
aus, sind aber als solche nicht Staatsbeamte. Die 
erwähnte dienstliche Unterordnung, das Staats- 
dien stverhältnis ist einerseits allerdings durch 
eine gewisse Willensübereinstimmung begründet, 
anderseits aber dem Inhalt nach ein öffentlich- 
rechtliches Abhängigkeitsverhältnis. Das Staats- 
dienstverhältnis unterscheidet sich wesentlich von 
andern möglichen Beziehungen zum Staat, z. B. 
von einer privatvertragsmäßigen Übertragung ge- 
wisser Staatsgeschäfte. Personen, die der Staat zu 
deren Vornahme mietet, Lieferanten, Feldmesser, 
Okonomiekommissäre usw. stehen dem Staat als 
gleichberechtigte Kontrahenten gegenüber. Ander- 
seits sind von Staatsbeamten verschieden Personen, 
welchen die Verpflichtung zu staatlichen Funktionen 
auf Grund einer allgemeinen gesetzlichen Vorschrift 
obliegt, so z. B.wenn die Staatsbürger Wehrpflicht, 
Geschworenen= und Schöffendienst leisten müssen. 
Amt, Beamte, 
  
Staatsdiener. 198 
Weniger wesentlich ist (wie oben erwähnt), daß 
die staatlichen Funktionen gerade obrigkeitliche Be- 
fugnisse (Hoheitsrechte) seien. Auch jede andere 
Verwaltung öffentlicher Aufgaben und Vornahme 
von auf den Staatszweck bezogener, gesetzlich vor- 
geschriebener (oft rein technischer) Arbeit genügt, 
z. B. Arbeit des Lehrers, Baubeamten, Statisti- 
kers, Registrators. Unter den verschiedenen Gat- 
tungen von Beamten ist hervorzuheben der 
Unterschied von berufsmäßigen Beamten und 
Ehrenbeamten. Erstere sind Beamte, welche berufs- 
mäßig den Staatsdienst übernehmen, für welche 
also der Staatsdienst einen Erwerbszweig bildet. 
Letztere sind Beamte, für welche der Staatsdienst 
nicht eine Erwerbstätigkeit ist, sondern für welche 
allein in der mit dem Staatsdienst verbundenen 
Ehre das äußere Entgelt für die Mühewaltung 
liegt. Ferner kann man unterscheiden höhere und 
niedere Beamte. Erstere bedürfen zur Ausführung 
ihrer Amtsfunktionen einer besondern wissenschaft- 
lichen Ausbildung. Unter letzteren kann man die 
Kategorie der Subalternen, die höhere Schul- 
bildung besitzen, aber nicht zu studieren brauchen, 
von der Kategorie der Diener unterscheiden. — 
Nach der Branche kann man unterscheiden: Militär- 
und Zivilbeamte, hier wieder: richterliche und 
Verwaltungsbeamte usw. Neben diesen Beamten 
im strengen Sinn des Wortes gibt es aber noch 
eine Reihe von Staatsangestellten, z. B. in Staats- 
ämtern fungierende Künstler, Gelehrte, Natur- 
sforscher, dann solche fiskalische Beamte, welche nur 
Vermögensverwaltungen zu führen, aber keine 
Staatshoheitsrechte auszuüben haben (z. B. der 
Direktor einer dem Staat gehörigen Erzgießerei), 
die nur im weitern Sinn, nicht im strengen Sinn 
des öffentlichen Rechts, Staatsämter bekleiden. 
Auch auf Wahlkonsuln und Ehrenämter in der 
Selbstverwaltung findet das volle Staatsdiener- 
recht keine Anwendung. 
3. Beginn und Begründung des 
Staatsdienerverhältnisses. Wie das 
Staatsbeamtentum überhaupt, so stehen insbeson- 
dere die Formen der Besetzung der öffentlichen 
Amter mit den jeweiligen Staats= und Verfas- 
sungsformen einigermaßen in Zusammenhang. 
Im republikanischen Staatsrecht kann man eine 
Vorherrschaft des Erwählungsprinzips und eine 
Vorliebe für kurz dauerndes Beamtentum beob- 
achten. Der Kirche ist das System der Weihen 
eigen. Den stabilen Verhältnissen des alten deut- 
schen Patrimonialstaats entsprach eine gewisse Erb- 
lichkeit. Dem deutschen Fürstentum der neueren 
Zeit und der Gegenwart entspricht das Ernen- 
nungs= oder Verleihungsprinzip: im Zeeitalter 
des Absolutismus willkürlich und widerruflich, 
im 19. Jahrh. an gewisse Modalitäten gebunden 
und mit verhältnismäßig großer Unabhängigkeit 
der Staatsdiener, die sich, als Masse betrachtet, 
zu einem erblichen Stand zusammenschlossen und 
auf das Staatsleben mächtig einwirkten. Das in 
Deutschland allgemein, anderwärts wenigstens für 
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