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nach den dabei zugrunde liegenden Motiven der
disziplinarischen Anwendung der Amtssuspension
sich nähert und als eine besondere Art der Beur-
laubung aufgefaßt werden kann. d) Anspruch der
Hinterbliebenen auf Fürsorge. Die Witwe
und die ehelichen (oder legitimierten) Kinder eines
Beamten, die zur Zeit seines Todes einen An-
spruch auf Pension hatten, erhalten Witwen= und
Waisengeld. Den Hinterbliebenen wird ferner für
das auf den Sterbemonat folgende Vierteljahr
die volle Besoldung des Verstorbenen (Gnaden-
quartal) zugestanden.
5. Versetzung, Stellung zur Dis-
position, Suspension, Beendigung
des Staatsdienerverhältnisses. Früher
verstand man unter Strafversetzung die Versetzung
in ein Amt mit niedrigerem Rang und geringerem
Gehalt (Degradation). Die neuere Gesetzgebung,
§75 des Reichsbeamtengesetzes und diesem nach-
gebildet die Disziplinargesetze der meisten deutschen
Bundesstaaten, kennt als Strafversetzung die Ver-
setzung in ein anderes Amt von gleichem Rang,
jedoch mit Verminderung des Diensteinkommens
um höchstens ein Fünftel. Statt der Verminde-
rung des Diensteinkommens kann eine Geldstrafe
bis zu einem Drittel des jährlichen Diensteinkom-
mens verhängt werden. Versetzungen in Amter
von gleichem Rang und Gehalt können bei Ver-
waltungsbeamten aus Dienstesrücksichten statt-
finden. Richter dagegen können nach dem Ge-
richtsverfassungsgesetz nur aus gesetzlich bestimm-
ten Gründen und unter Wahrung der gesetzlich
vorgeschriebenen Formen kraft richterlicher Ent-
scheidung versetzt werden. Stellung zur Dis-
position oder einstweilige Versetzung in den
Ruhestand besteht darin, daß dem betreffenden
Beamten die Amtsausübung entzogen wird. Das
Beamtenverhältnis dauert fort. Der Beamte er-
hält das sog. Wartegeld (s. oben). Das Recht,
zur Disposition zu stellen, ist bald allgemeines
Recht der Regierung, bald der Regierung wenig-
stens denjenigen Klassen von Beamten gegenüber
eingeräumt, „bei denen eine fortdauernde Über-
einstimmung in prinzipiellen Ansichten mit der
leitenden Autorität notwendig ist". Suspen-
sion ist eine zeitweilige Enthebung eines Be-
amten von Ausübung seiner amtlichen Funktionen
und wird entweder im Disziplinarverfahren als
Strafe ausgesprochen oder als provisorische Maß-
regel gegen denjenigen Beamten verhängt, der sich
in einer gerichtlichen oder disziplinarischen Unter-
suchung befindet. Beendigung des Staats-
dienerverhältnisses tritt ein entweder mit oder gegen
den Willen des Beamten. a) Die freiwillige
Beendigung erfolgt durch den sog. Amtsverzicht.
Derselbe wirkt erst dann beendigend, wenn er von
der kompetenten Behörde angenommen wird. Ein
Rücktritt vor Annahme seiner Resignation wäre
Desertion. Damit ein Beamter um seine Verab-
schiedung mit Pension einkommen kann, müssen
ganz bestimmte gesetzliche Gründe vorliegen, be-
Amt, Beamte,
Staatsdiener. 206
stimmte Dienstzeit, bestimmtes Lebensalter oder
die Konstatierung der Gebrechlichkeit oder der
Schwächung der Geisteskräfte. b) Schwieriger ist
die Frage der Beendigung des Staatsdienerver-
hältnisses gegen den Willen des Beamten. Einer-
seits ist der Beamte gegen willkürliche Entlassung,
anderseits das Staatsinteresse gegen untaugliche
Beamte sicherzustellen. Lange herrschte in dieser
Beziehung (wie oben bömerkt) eine schwankende
Praxis. Im Anfang des 19. Jahrh. erkannte
man dem Staatsdiener zwar einen festen Anspruch
auf die Besoldung, nicht aber auf das Amt zu
(so Goenner). Auf diesem Standpunkt steht die
bayrische Pragmatik vom 1. Jan. 1805. Die preu-
Kische Gesetzgebung erklärte sich seit 1844 für Ent-
lassung nur aus bestimmten gesetzlichen Gründen.
Nach heutigem deutschem Staatsdienerrecht sind
alle berufsmäßigen Beamten lebenslänglich an-
gestellt und können nur aus gesetzlichen Gründen
und unter gesetzlichen Formen gegen ihren Willen
ihres Amtes enthoben werden. Die Entlassung
definitiv angestellter Beamten ist entweder Dienst-
entsetzung (Kassation) oder Dienstentlassung. Er-
stere findet statt infolge rechtskräftigen gerichtlichen
Urteils, durch welches der Beamte zu einer Zucht-
hausstrafe verurteilt wird, oder durch welches ihm
die bürgerlichen Ehrenrechte oder die Fähigkeit
zur Bekleidung öffentlicher Amter aberkannt wer-
den, oder durch welches auf den Verlust der von
dem Verurteilten bekleideten öffentlichen Amter er-
kannt wird. Die Dienstentlassung erfolgt auf
Grund eines rechtskräftigen Disziplinarurteils.
Außerdem gibt es noch eine zwangsweise Ver-
setzung in den Ruhestand bei Dienstunfähigkeit
oder Erreichung eines bestimmten Lebens= und
Dienstalters. Eine eigene Stellung in der Ent-
lassungsfrage nehmen die Minister als solche ein;
s. d. Art. Staatsministerium.
Über die Haftung des Staats für Vergehen
seiner Beamten s. d. Art. Fiskus.
Literatur. Seuffert, Verhältnis des Staates
und der Diener des Staates (1793); v. d. Becke,
Staatsämter (1797); Rönneberg, über Dienstent-
lassung (1799); v. Goenner, Staatsdienst (1808);
Perthes, Staatsdienst (1838); Welcker, Art., Staats-
dienst" im Staatslexikon von Rotteck u. Welcker
31856/66); Seybold, Amter (1854); Pözl im Deut-
chen Staatswörterbuch von Bluntschli u. Brater 1
(1857); Mascher, Zivilstaatsdienst (1863); Pfeiffer,
Unabhängigkeit des Richteramtes (1865); Mus-
hacke, Wartegeld u. Ruhegehalt (1868); v. Zedlitz
u. Neukirch, Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten
(1874); Kanngießer, Recht der deutschen Reichs-
beamten (1874); Isaacsohn, Gesch, des preuß. Be-
amtentums (1874/78); Laband, Staatsrecht des
Deutschen Reichs 1 (1901); Reinecke, Einkommen
d. Staatsbeamten (1876); Thudichum, Art., Reichs-
beamtenrecht“ in Annalen des Deutschen Reichs
1876; Ad. Wagner, Finanzwissenschaft 1 (1877)
§5 71/87; Monatschr. für deutsche Beamte (1877 ai);
Loening, Haftung des Staats für die Handlungen
seiner Beamten (1879); v. Gerber, Grundzüge
eines Systems des deutschen Staatsrechts (51880);
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