Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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Blonski, Osterr. Siwisstantekurmnt (1882); Gareis, 
Allg. Staatsrecht (in Marquardsens Handbuch 
des öffentl. Rechts der Gegenwart I, 1883); Rehm, 
Rechtl. Natur des Staatsdienstes nach deutschem 
Staatsrecht (in Annalen des Deutschen Reichs 
1884 u. 1885); Loening, Lehrb. d. deutschen Ver- 
waltungsrechts (1884) G. Meyer-Anschütz, Lehrb. 
des deutschen Staatsrechts ( (6(1905); v. Stengel, 
Lehrb. des deutschen Verwaltungsrechts (1886); 
Herrfurth, Preuß. Etatswesen einschl. der Rechts- 
verhältnisse der Staatsbeamten (1887); Harseim, 
Art. „Beamte“ in v. Stengels Wörterb. des deut- 
schen Verwaltungsrechts I (1889); Schmoller, Ein- 
leitung zum I. Bd der Acta Borussica (1892); 
A. Lotz, Gesch. d. dentsch. Beamtentums (1906/07); 
Perels u. Spilling, Reichsbeamtengesetz (1890); 
Pieper, Reichsbeamtengesetz (31908, Guttentagsche 
Sammlung). Für das Geschichtliche vgl. noch 
Lamprecht, Deutsches Wirtschaftsleben im Mittel- 
alter I (1886) 1373 ff 1523 ff. 
[Bruder, rev. Red.) 
Amtsanwalt s. Staatsanwaltschaft. 
Amtsgeheimnis s. Dienstgeheimnis. 
Amtsgerichte s. Gerichtsverfassung. 
Amtsverbrechen und Amtsvergehen 
sind diejenigen strafbaren Handlungen, welche nur 
infolge eines besondern Standes= oder Dienstver- 
hältnisses begangen werden können. — In Rom 
haben die Amtsvergehen eine systematische Durch- 
arbeitung und eine bestimmte Stellung im Rechts- 
system nicht gefunden. Die wichtigsten Standes- 
verbrechen sind die militärischen gewesen. Als 
bürgerliche Standesvergehen wurden durch die 
Zwölf Tafeln die Bestechlichkeit des Richters und 
Schiedsrichters und durch die Lex Cincia des 
Jahrs 550 die Geschenkannahme der Sachwalter 
seitens ihrer Klienten mit Strafen bedroht; die 
Lex Duilia des Jahrs 305 bestrafte die Volks- 
tribunen, welche aus dem Amt ausgeschieden waren, 
ohne für die Wahl ihrer Nachfolger gesorgt zu 
haben; die Leges Poetelia des Jahrs 396 und 
Baebia des Jahrs 573 ahndeten die Amtser- 
schleichung. Die Lücken zwischen diesen wenigen 
durch die Gesetze verbotenen Hemmungen und 
Störungen des staatlichen Beamtensystems und 
dem Bedürfnis des Staates wurden im Einzel- 
fall durch den Erlaß spezieller Gesetze ausgefüllt, 
welche den Begriff und die Strafe des einzelnen 
Verbrechens regelten und für dasselbe ein eigenes 
Gericht (Quaestio perpetua) einrichteten. Die 
erste Quaestio perpetua ist durch die Lex Cal- 
purnia repetundarum (scil. pecuniarum) im 
Jahr 605 eingesetzt, durch welche jede Bestechung, 
insbesondere die Erpressung, sowie jede andere An- 
wendung rechtswidriger Mittel seitens der Provin-= 
zialbeamten behufs ihrer Bereicherung auf Kosten 
ihrer Untergebenen mit Strafe bedroht wurde. An 
sie schlossen sich vier weitere Repetundengesetze an, 
deren wichtigstes, die Lex lulia (Caesaris) des 
Amtsanwalt — Amtsverbrechen und Amtsvergehen. 
  
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für Rechtshandlungen absolut und außerhalb der 
Rechtspflege von andern als von nahen Ange- 
hörigen über den Betrag von 10000 Sesterzien 
hinaus. Die Strafe bestand in einem Mehrfachen 
des widerrechtlich durch den Amtsmißbrauch er- 
langten Vermögensvorteils. Infolge der Besetzung 
der höchsten Amter durch Volkswahl stand das 
crimen repetundarum in engem Zusammenhang 
mit dem crimen ambitus, der Störung der freien 
Wahl zu Staatsämtern durch den Gebrauch un- 
erlaubter Mittel, insbesondere die Bestechung der 
Wahlberechtigten. Diesem Verbrechen war in der 
Republik nicht zu steuern, erst in der Kaiserzeit 
wurde die alte Form des Ambitus durch Aufhebung 
der Volkswahl für die höchsten Stellen beseitigt. 
Mit dem crimen ambitus verschwand auch das 
eine Unterart desselben bildende crimen sodali- 
ciorum, d. h. die organisierte Bestechung der ge- 
samten Tribus durch Vermittler. Auch verlor das 
crimen repetundarum seine frühere Wichtigkeit 
und Häufigkeit. In der Kaiserzeit wird das iudi- 
cium repetundarum zur Kontrolle nach beendigter 
Amtsführung. Es begreift nicht nur Bestechungen 
und Erpressungen richterlicher und nichtrichterlicher 
Beamten, sondern Justiz= und Verwaltungsmiß- 
bräuche aller Art. Was nach republikanischen Be- 
griffen unerhört war, ist in den sog. provinciae 
Caesaris, und seitdem die provinciae senatus 
verschwunden waren und die vollständigste Be- 
amtenhierarchie sich ausgebildet hatte, überall selbst- 
verständlich, daß die Beamten vom Kaiser abhängig 
und in ihrer Verwaltung seiner Kontrolle unter- 
stellt sind. Von den Kaisern Theodosius I. und II. 
und auch von Justinian werden wiederholt strenge 
Strafbestimmungen gegen die Bestechlichkeit und 
Parteilichkeit der Richter und der Statthalter er- 
lassen. — Seit Sulla war eine stehende Quaestio 
eingerichtet für das crimen peculatus und das 
crimen de residuis. Entwendungen aus dem 
Staatsvermögen (peculatus war etymologisch 
die Unterschlagung des an den Staat als multa 
abgelieferten pecus) wurden in älterer Zeit ent- 
weder mit einer schweren Geldstrafe geahndet oder 
durch Kapitalanklage verfolgt. Die Lex lulia 
(von Cäsar oder Augustus) enthielt die Trennung 
der beiden auf Beeinträchtigung des Staatsver- 
Mmögens (pecunia publica) gerichteten Verbrechen. 
Crimen peculatus isteigentlicher Diebstahl andem 
Eigentum des Staates; Subjekt desselben können 
nicht nur Beamte, sondern auch Privatpersonen 
sein. Crimen de residuis ist Nichtablieferung, 
also Unterschlagung eingenommener öffentlicher 
Gelder (pecuniae residuae); als mögliches Sub- 
jekt desselben erscheinen zunächst bloß Kassenbeamte. 
Das erstere Verbrechen ist das strafbarere; es wird 
mit aquae et ignis interdictio, das zweite mit 
einer Geldstrafe belegt, welche, abgesehen von dem 
Jahrs 695, die Grundlage der Lehre von den Amts-zivilrechtlichen Ersatz, in einem Drittel der unter- 
verbrechen geblieben ist. Diese Lex lulia verbietet schlagenen Summe bestehen soll. Kaiserliche Kon- 
nicht nur den Provinzialbeamten, „sondern aucht den stitutionen schreiben in einigen Fällen des Pekulats 
städtischen Magistratsbeamtend 
Bergwerks= und selbst Todesstrafe vor. — Nach
	        
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