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ihr Amt mißbrauchenden Beamten. Mit Rücksicht
auf die allgemeine Erscheinungsform der Amts-
vergehen sind vier verschiedene Gattungen zu
unterscheiden: a) solche Vergehen, welche nur gegen
die äußerliche Ordnung des übernommenen öffent-
lichen Amts verstoßen, ohne irgendwelche Rechts-
objekte zu verletzen, Disziplinarvergehen; b) solche
Vergehen, deren Subjekt ausschließlich der Beamte
ist, welche aber gegen allgemeine Rechtsobjekte ver-
stoßen, eigentliche, reine Amtsvergehen; c) solche
Vergehen, die an sich schon eine strafbare Hand-
lung darstellen und deshalb auch von Nichtbeamten
begangen werden können, welche aber durch den
zugleich darin liegenden Mißbrauch der Amtsgewalt
einen strafschärfenden Charakter erhalten, uneigent-
liche, gemischte Amtsvergehen; d) allgemeine Amts-
vergehen, welche ihrer Natur nach von einem jeden
Beamten begangen werden können, und besondere
Amtsvergehen, deren Täter nur Beamte einer be-
stimmten Art sein können. — Die Grenze zwischen
den kriminell strafbaren, reinen Amtsvergehen (b)
und den mit Ordnungsstrafen zu ahndenden bloßen
Disziplinarvergehen (a) läßt sich abstrakt nicht
ziehen. Disziplinarstrafrecht und gemeines Straf-
recht sind Ausfluß derselben staatlichen Strafgewalt,
und es ist eine Frage der positiven Gesetzgebung,
ob ein rechtswidriges Verhalten im Dienst nur
noch als Verletzung der Dienstvorschriften oder
schon als strafbare Verletzung der Rechtsordnung
anzusehen sei. Falsch sind deshalb die verschiedenen
Rechtstheorien, welche für die Scheidung zwischen
gemeinen und Disziplinarvergehen die rechts-
widrige Absicht des Täters oder die Tat nach
ihrer Richtung oder die Schwere der in gerechter
Weise anzudrohenden Strafen zum Ausgangs-
punkt nehmen. Strafen und Straffolgen sind
nur äußerliche Merkmale. Charakteristisch für die
Disziplinarvergehen ist der Umstand, daß die
Untersuchung und Bestrafung der Disziplinar-
vergehen nicht dem ordentlichen Gericht, sondern
der Aufsichtsbehörde des zu disziplinierenden Be-
amten übertragen ist, und daß deren Strafgewalt
nicht eine gesetzlich gebundene, sondern eine dis-
kretionäre Befugnis ist, welche einerseits die Strafe
nach der größeren oder geringeren Erheblichkeit des
Dienstvergehens mit besonderer Rücksicht auf die
gesamte Führung des Beamten zu bemessen, ander-
seits nicht die Sühne des verletzten Rechts, son-
dern die Sicherung und Reinhaltung des öffentli-
chen Dienstes durch Zwangsmittel und Entlassung
zum Zweck hat. In dem Disziplinarverfahren
(s. d. Art.) übt nicht der Staat sein Strafrecht, son-
dern die Dienstbehörde das ihr den untergebenen
Beamten gegenüber obliegende Aufsichtsrecht aus.
Die Amtsvergehen im allgemeinen. Subjekt
eines Amtsvergehens, sei es eines reinen oder ge-
mischten, kann nur ein Beamter sein. Wer als
solcher anzusehen, ist in § 359 des deutschen Straf-
gesetzbuchs bestimmt. Danach sind Beamte im
Sinn des Strafgesetzbuchs alle im Dienst des
Reichs oder in unmittelbarem oder mittelbarem
Amtsverbrechen und Amtsvergehen.
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Dienst eines Bundesstaats auf Lebenszeit, auf
Zeit oder nur vorläufig angestellten Personen,
ohne Unterschied, ob sie einen Diensteid geleistet
haben oder nicht, desgleichen Notare, nicht aber
Advokaten und Anwälte. Für die Beamtenqualität
ist der Umstand maßgebend, ob jemand nach dem
bestehenden Staats= und Verfassungsrecht berufen
ist, als Organ der Reichs-- oder Staatsgewalt
unter öffentlicher Autorität für die Herbeiführung
der Zwecke des Reichs oder Staats tätig zu sein.
Das Beamtentum scheidet sich in zwei Haupt-
gruppen: in Militär= und Zivilbeamte. Die
Zivilbeamten zerfallen in Reichsbeamte, welche
vom Kaiser angestellt werden, und in unmittel-
bare und mittelbare Staatsbeamte, je nachdem
die letzteren in unmittelbarem Abhängigkeitsver-
hältnis zur Staatsgewalt selbst oder nur zu den
von dieser autorisierten Genossenschaften stehen,
und je nachdem bei der Einsetzung des Beamten
in sein Amt die Staatsgewalt als solche einen
unmittelbaren oder nur mittelbaren Anteil hatte.
Mittelbare Beamte sind hauptsächlich die Kom-
munalbeamten. Durch die negative Bestimmung
des § 359 sind von der Beamtenqualität aus-
geschlossen: 1) die Beamten von Privatpersonen
oder Privatgesellschaften (Versicherungs-, Aktien-,
Eisenbahn= usw. Gesellschaften, Dampfkessel-
revisionsvereinen), soweit ihnen nicht ausdrück-
lich amtliche Funktionen vom Staat übertragen
werden, wie dies für die Bahnpolizeibeamten
durch das Bahnpolizeireglement vom 21. Dez.
1871 und in Preußen für die vereidigten Privat-
sorstbeamten durch das Forstdiebstahlsgesetz ge-
schehen ist; 2) Geistliche und andere Religions-
diener, soweit sie nicht mit Funktionen betraut
sind, welche auf die Schule sich beziehen; 3) die
Hofbeamten; 4) die Mitglieder der bewaffneten
Macht, ausgenommen in Preußen die Gendarmen.
Ob jemand als Beamter angestellt, d. h. zur Aus-
übung staatlicher Aufgaben innerhalb eines ge-
wissen Geschäftskreises berufen ist, ist nach den
Landesgesetzen zu beurteilen. Für den Straf-
richter bildet bezüglich des Beginns der Beamten-
qualität die nicht unbefugte Ausübung der Amts-
funktionen das alleinige Kriterium. Die Ablei-
stung des Eides ist nur wesentlich, wenn sie eine
ausdrückliche Bedingung der Beamtenqualität ist,
wie bei den Bahnpolizeibeamten, in Preußen auch
bei den Privatforstbeamten und Gemeindefeld-
hütern. Ist im Strafverfahren die Beamten-
qualität streitig, so bedarf es in der ergehenden
Entscheidung einer genauen Feststellung aller tat-
sächlichen Momente, welche für die rechtliche Lö-
sung der Frage entscheidend sind. Die Frage
selbst ist tatsächlicher Natur, sofern es sich darum
handelt, ob dem Angeklagten gewisse Funktionen
von der dazu berechtigten Behörde übertragen
gewesen sind; sie ist rechtlicher Natur, insofern
zu entscheiden ist, ob diese Funktionen nach dem
inneren Staatsrecht die Eigenschaft eines Beamten
begründen. Beamte sind z. B. die Mitglieder der