Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

219 
nicht aber die Patentanwälte und diejenigen 
Rechtsbeistände gleichgestellt sind, welche die Ver- 
tretung in Rechtssachen gewerbsmäßig betreiben, 
da deren Verrichtungen nicht als amtliche quali- 
fiziert werden können. Taxüberschreitungen von 
Gewerbetreibenden (Apotheker, Feldmesser, Auk- 
tionatoren usw.) werden aus § 148 der Ge- 
werbeordnung bestraft. Beamte im Sinn des 
§6 352 sind alle, welche für eine öffentliche, Staats- 
oder Kommnnalkasse Abgaben zu erheben haben, 
mrögen sie im mittel= oder unmittelbaren Staats- 
dienst stehen, insbesondere die Steuer= und Finanz- 
beamten, die Gerichtsschreiber und Gerichtsvoll- 
zieher. Objekt des Vergehens ist außer der Würde 
des Amts die Beschädigung des Vermögens Pri- 
vater. Als Handlung wird erfordert ein wider- 
rechtliches Erheben nicht oder nicht im ganzen 
Betrag geschuldeter Gebühren und Abgaben, 
mögen diese nun dem Beamten selbst (8 352) oder 
einer öffentlichen Kasse (8 353) zustehen, sowie 
eine widerrechtliche Zueignung des zuviel Erhobe- 
nen. Dem widerrechtlichen Erheben ist das wider- 
rechtliche Nichtauszahlen von Geld oder Naturalien 
gleichgestellt. Voraussetzung der Strafbarkeit ist 
das Bewußtsein der Nichtschuld bzw. der Rechts- 
widrigkeit des Abzugs sowie die Absicht eines 
Vermögensgewinnes, mag dieser nun in Abwen- 
dung eines Schadens oder in einer Vermögens- 
bereicherung bestehen. Ein gefordertes Palmarium 
fällt unter § 352, nicht aber ein freiwilliges Ge- 
schenk. Bezüglich der Gebühren muß das Recht, 
sie zu fordern, und deren Höhe gesetzlich feststehen, 
dieselben müssen ein Aquivalent für eine in einem 
öffentlichen Amt vorgenommene Verrichtung sein; 
die öffentliche Kasse muß als Vertreterin des 
öffentlichen Vermögens, sei es des Staats oder 
der Kommune, auftreten; die Ausgaben an Geld 
und Naturalien müssen amtliche sein, wenn sie 
auch nicht aus öffentlichen Kassen zu leisten sind. 
Der Leistungspflichtige bzw. Leistungsempfänger 
muß sich im Irrtum über die Höhe der Schuld 
oder Leistung befinden. Kennt er deren Höhe und 
leistet er freiwillig den Mehrbetrag, so schenkt er. 
Vollendet ist die Ubervorteilung in § 352 mit 
der Erhebung, in § 353 mit der Nichtabführung 
an die Kasse bzw. der Nichtzahlung und falschen 
Buchung. Das Abfordern von Gebühren ist Ver- 
such der Erhebung. Die Vornahme unnötiger 
amtlicher Verrichtungen und die Erhebung der da- 
für zustehenden Gebühren erfüllt nicht den Tat- 
bestand des §352 sie kann disziplinär strafbar sein. 
5. Die Nötigung (St.G.B. § 339) bil- 
det nicht einen allgemeinen Begriff des Amts- 
mißbrauchs; bestraft wird nur der Beamte, 
welcher durch Mißbrauch seiner Amtsgewalt oder 
durch Androhung eines bestimmten Mißbrauchs 
derselben jemand zu einer Handlung, Duldung 
oder Unterlassung widerrechtlich nötigt, und 
zwar mit Gesängnis bis zu fünf Jahren. Dabei 
ist Amtsgewalt die den Beamten zustehende Be- 
fugnis zur Anwendung von Zwangsmitteln. Ein 
Amtsverbrechen und Amtsvergehen. 
220 
Mißbrauch der Amtsgewalt liegt vor, wenn diese 
angewandt wird, obgleich es an den gesetzlichen 
Voraussetzungen der Anwendung fehlt sowie 
wenn das zulässige Maß derselben überschritten 
wird. Von der Nötigung als gemeinem Ver- 
gehen unterscheidet sich dieses Amtsvergehen da- 
durch, daf hier nicht wie dort gefordert ist, daß 
die Nötigung durch Gewalt oder durch Bedrohung 
mit einem Verbrechen oder Vergehen geschehen 
sein müsse. Objekt dieses Amtsvergehens ist die 
Willensfreiheit eines andern, und es gehört zum 
Tatbestand als Gegenstand die Handlung einer 
Person mit Ausschluß von Sachen (zu welcher 
Handlung genötigt werden soll, ist gleichgültig); 
als Handlung der Mißbrauch der Amtsgewalt 
oder die Androhung eines bestimmten Miß- 
brauchs derselben; die Absicht, jemand zu 
einer Duldung, Handlung oder Unterlassung zu 
nötigen, vorausgesetzt, daß die Handlung hier- 
durch nicht in ein anderes Verbrechen übergeht. 
Der Beamte muß sich bewußt sein, daß ein Amts- 
mißbrauch und eine widerrechtliche Nötigung vor- 
liegt. Handelt der Beamte in der Absicht, ein 
Mitglied der gesetzgebenden Körperschaften des 
Reichs oder eines Bundesstaats zu verhindern, 
sich an den Ort der Versammlung zu begeben oder 
zu stimmen, oder einen Deutschen zu verhindern, 
in Ausübung seiner staatsbürgerlichen Rechte zu 
wählen oder zu stimmen, oder den Gottesdienst 
seiner Konfession auszuüben, oder um sich oder 
einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögens- 
vorteil zu verschaffen [Erpressüng] (St. G. B. 
gs 106 107 167 253), so finden die für diese 
Vergehen als gemeine Vergehen angedrohten 
Strafen Anwendung, wenn die Tat von dem 
Beamten, wenn auch ohne Gewalt und Drohung, 
aber durch Mißbrauch der Amtsgewalt oder An- 
drohung eines bestimmten Mißbrauchs derselben, 
begangen ist. Vollendet ist das Vergehen der Nö- 
tigung mit dem Abnötigen der Handlung. Der 
Versuch ist strafbar. Bei der Erpressung beschränkt 
sich die Handlung des Beamten auf den Mißbrauch 
oder die Androhung eines bestimmten Mißbrauchs 
der Amtsgewalt, wobei eine Drohung, welche an 
sich keine gerechte Furcht erregt, hinreichend ist, 
indem mehr der Gesichtspunkt des strafwürdigen 
Benehmens des öffentlichen Dieners als derjenige 
der Benachteiligung der Privatperson, gegen 
welche die Androhung gerichtet ist, entscheidet. 
Erforderlich ist die Absicht der Erlangung eines 
rechtswidrigen Vermögensvorteils. Zur Vollen- 
dung der Erpressung genügt nicht die Androhung, 
die Handlung, Duldung oder Unterlassung muß 
erzwungen sein. Ob der Vermögensvorteil wirk- 
lich erlangt wird, ist gleichgültig. Er muß ein 
bestimmter sein, braucht aber nicht einen Ver- 
mögensnachteil für den Bedrohten zu enthalten; 
er muß widerrechtlich sein. 
6. Die falsche Beurkundung (St.G. B. 
§348). Der menschliche Verkehr bedarf zu seinem 
Bestehen äußerer Gegenstände, welche als Beglaubi- 
  
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.